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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 4
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Boeheim, Wendelin: Die Rüstkammer der Stadt Emden, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0104
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Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

historischen, kulturgeschichtlichen und auch kunst-
wissenschaftlichen Gehalte in einer kleinen Stadt
Preussens anzutreffen, eine Sammlung, die durch
ihren eigentümlichen Charakter, ihre Entstehung wie
durch ihre ursprüngliche Bestimmung geradezu ein
Unikum darstcllt, wie die «Rüstkammer» in Emden.
Ganz an sich betrachtet, besteht ihre einzige
Eigentümlichkeit in der Welt darin, dass sie, wie
ihr Name schon ‘andeutet, vor Jahrhunderten zu einem
bestimmten Zwecke, der Verteidigung der Stadt, ge-
gründet, nicht von Liebhaber- oder Kennerhänden
zusammengetragen wurde und dass sie ihre alte
Physiognomie, im grossen und ganzen genommen,
* sich erhalten hat.
Allerdings besteht noch eine zweite Stadt, die
sich rühmen kann, eine solche Sammlung gleichen
Charakters und selbst ziemlich gleichen Alters in
ihren Mauern zu bewahren: es ist die steiermärkische
Landeshauptstadt Graz; aber deren «Landes-Zeug-
haus» diente der Wehrhaftmachung eines ganzen
Landes, des Herzogtums Steiermark und der soge-
nannten «petrinianischcn Grenzländer» und nicht dem
Gemeinwesen einer einzelnen Stadt, und in diesem
Sinne steht die «Rüstkammer zu Emden» einzig
in der Welt da.
Es ist eine müssige Frage, deren Lösung einige
Autoren1) der «Rüstkammer» sich mit mehr Eifer
2) Die Rüstkammer in Emden hat schon im 17. Jahrhundert
in der Litteratur teils in Urkunden, teils in Büchern Erwähnung
und Beachtung gefunden. Eine erste kurze Erwähnung macht
bereits die Reisebeschreibung des Herzogs Friedrich von Württem-
berg und Teck vom Jahre 1592. Die älteste urkundliche Quelle
bildet aber das Artelery Boek von 1606. Bald darauf, 1617, wird
sie in dem Reiseberichte des Utrechter Rechtsgelehrten Arnoldus
Bochelius einer eingehenden Beachtung gewürdigt, welcher bemerkt,
dass aus ihr leicht 3000 Krieger bewaffnet werden können. Die
interessanteste und für die damalige Zeit treffliche kritische Be-
trachtung findet sie in der Reisebeschreibung des Schöffen und
Ratsherrn von Frankfurt a. M., Zacharias Konrad von Uffenbach,
von 1753, der Emden 1710 besuchte, und welcher bereits «un-
nötige Erfindungen» in derselben gewahrt hatte, die sich bis heute
erhalten haben und welche wir auch im folgenden Texte nicht
ganz mit Stillschweigen übergehen dürfen. Der älteste amtliche
Katalog stammt aus dem Jahre 1839. In der Buchlitteratur geht
voran: «Die antike Rüstkammer des Emder Rathauses» von Assessor
Alexander Rolffs, Emden 1861, ein Werk, mehr für den Besucher
der Rüstkammer berechnet. Der Verfasser beurkundet darin zweifels-
ohne eine genügende Kenntnis der Vergangenheit der Stadt; sein
Wissen im historischen Waffen wesen ist aber so mangelhaft, dass
das Buch bei einer etwas verworrenen Fassung gerade in seinem
Thema nahezu unbrauchbar wird. Dabei verfällt er in den Fehler
aller schwachen Autoren im Fache, sich in den kritiklosesten Ver-
mutungen in der Zuschreibung der Gegenstände an bestimmte
historische Persönlichkeiten zu ei gehen. Die beigegebenen zwei
Abbildungen sind unrichtig und damit völlig wertlos. Unstreitig
viel gediegener und fachlich höher stehend sind zwei sich gegen-
seitig ergänzende Abhandlungen, welche in dem «Jahrbuche der
Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer in
Emden», V. Band, 1. Heft, erschienen sind: «Zur Geschichte der
Emder Rüstkammer» von Senator Schnedermann und mit beschrei-
bendem Texte von Ingenieur Starcke. Ungeachtet der gedrängten
Form des geschichtlichen Teiles bringt Schnedermann neue und
wichtige Daten zur Vervollständigung; Starckes Beschreibung aber
beschränkt sich lediglich auf die reichst ausgestatteten Leistungen
des deutschen Kunstgewerbes. Den Abhandlungen sind vier über-

als Verständnis hingegeben haben, ob schon vor
der in Urkunden bemerkten Zeit eine städtische Rüst-
kammer in Emden bestanden habe? Wer sich die
Verhältnisse einer selbständigen Seestadt im Mittel-
alter vergegenwärtigt, die sich fortwährend vor der
Seeräuberei zu sichern hatte, der wird das Bestehen
eines Wafifenvoriates für den Seedienst schon im
frühen Mittelalter voraussetzen müssen. Das Schweigen
der Urkunden beweist hier nichts. Senator Schneder-
mann verlegt in seiner trefflichen Abhandlung: «Zur
Geschichte der Emder Rüstkammer» die Entstehung
einer Rüstkammer in das Jahr 1465 im alten Rat-
hause unter dem gräflichen Drosten Ulrich 1. Cirk-
sena. Von dem damaligen Inhalte derselben ist
aber leider nichts mehr erhalten geblieben, denn die
ältesten Stücke reichen über das 16. Jahrhundert
nicht hinaus, und in der That stimmt diese Beob-
achtung mit der Geschichte der Stadt insofern über-
ein, als die Rüstkammer nach der unglücklichen
Schlacht bei Jemgum gegen Alba, 21. Juli 1568,
ganz neu ausgestattet und nun mit den Waffen der
Gleichzeit gefüllt, somit gänzlich umgestaltet wurde.
Für die Richtigkeit dieser Annahme bringt gerade
Schnedermann in Urkundentexten den vollstän-
digsten Bew’eis.
Diese durch umfangreiche Ankäufe erworbenen
Waffenstücke wurden anfänglich in einer «Rüstkammer»
gesammelt, die den Gesamtteil eines grossen Hauses
vor dem Faldernthore einnahm; es ist das heute
noch bestehende sogenannte Packhaus (Halle) nächst
der' Drehbrücke.
Der bedeutende wirtschaftliche Aufschwung,
welchen die Stadt um die Mitte des 16. Jahrhunderts
unter der Regierung der Gräfin Anna genommen
hatte, veranlasste zu einer namhaften Erweiterung
derselben und zur Erbauung eines imposanten Rat-
hauses in dem neuen Stadtgebiete. So entstand das
neue Rathaus 1576 durch den Baumeister Martin
Arens aus Delft nach dem Vorbilde jenes zu Ant-
werpen; ein imposanter Baü von den besten Ver-
hältnissen.1) In die Bauperiode (1576 —1578) fällt der
folgenschwere, nicht ohne niederländischen Einfluss
entstandene Aufstand der' Bürger unter dem
Holzhändler Gerhard Boiland gegen den Grafen
aus gelungene Tafeln in Lichtdruck beigegeben. Ein Sonder-
abdruck beider erschien im Verlage von W. Haynel in Emden 1883.
— Wenn auch in einem weiteren Werke die Rüstkammer nur
nebenher beschrieben erscheint, so ist dieselbe darin doch in so
ausgezeichneter Weise und verständig aufgefasst, dass ich dessen
Erwähnung hier nicht umgehen darf. Es ist das vortreffliche Werk
des jetzigen Oberbürgermeisters der Stadt: FUrbringer, «Die Stadt
Emden in Gegenwart und Vergangenheit.» Emden 1891, Verlag
von W. Schwalbe. Ungeachtet bescheidener Hinweise auf Rolffs
und Schnedermann bringt der Verfasser in kürzester Fassung die
klarste Schilderung des Entstehens und der Schicksale der Rüst-
kammer, so dass das Buch auch als wertvoller Litterarbeitrag der-
selben angesehen werden muss. Wichtig erscheint dieser Abschnitt
für den gegenwärtigen Zustand.
*) Vergl. über die geplante Wiederherstellung des Rathauses
E. Ehrhardt, Das Rathaus in Emden in «Denkmalpflege» II. Jahrg.,
Nr. 10, S. 73IT. D. Schltg.
 
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