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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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8. Heft
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Liebe, Georg: Waffenbeschwörung
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Hortstein, O.: Reisenotizen eines Waffensammlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0262

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O. V. HORTSTEIN, REISENOTIZEN EINES WAFFENSAMMLERS

8. HEFT

245

Im Roman Wigalois des Wirnt von Gravenberg
(um 1200) wird erzählt: Der Priester „strikte umb
sin swert einen brief, der gap im vesten muot,
für elliu Zouber was er guot“. Die unter den
mittelalterlichen Schwertinschriften sich findenden
mystisch - kabbalistischen Inhalts haben offenbar
ebenfalls den Zweck, die Waffe gegen Wider-
stand von gleicher Art zu feien24). Noch im
Simplicissimus erscheint der Strauchdieb Olivier
im Besitz eines notfesten Schwertes25). Luther
(a. a. O.) berichtet ohne jedes Wort der Kritik:
„Zum andern find man etlich, die können solch
gesegent waffen wider entledigen von dem segen
mit einem cirkel und mit etlichen zeychen in den
sand gemacht und also nimpt einer dem andern
die kraft sins messers und erwürgen beyd ein-
ander ufs billicher verhengnufs gottes“. Der
Totentanz des Zürchers Rudolf Meyer um 1637
läfst den Tod dem Soldaten zurufen:
Frisch auf Soldat, parir dein Wehr,
Dich hilft jetzt kein Wundsegen mehr;
Bist schon gefroren, ist umsunst,
Ich lös auf mit Gewalt ohn’ Kunst.
Mittel gegen das Bannen des Schusses, das soge-
nannte Versprechen des Rohrs haben sich im Jäger-
aberglauben bis in die Neuzeit erhalten. Fleming
(a. a. O.) gibt als solches an, Moos von einem
Totenkopf zwischen das Pulver zu laden. Roch-
holz führt in seiner Schweizer Sammlung den
Glauben an, dafs die Kugel in einen Lappen aus
dem Totenhemd eines in der Weihnacht gebornen
Knaben gewickelt sicher treffe. Auch der Glaube
an Freikugeln gehört hierher.
Sind die meisten Formen der Waffen-
beschwörung oder wenigstens die zu Grunde
liegenden Gedanken uralt, so ist noch eines Aber-
24) Vgl. die Abhandlung von Wegeli in dieser Zeit-
schrift Bd. III, S. 291.
26) Buch IV Kap. 24.

glaubens Erwähnung' zu tun, der in seinem pseudo-
gelehrten Charakter ein echtes Kind seiner Zeit
ist, der sogenannte Waffensalbe. Die Heilung- eines
Verletzten sollte dadurch bewirkt werden, dafs
nicht die Wunde, sondern die Waffe mit einer
Salbe von bestimmter Zusammensetzung be-
strichen wurde, mochte die Entfernung zwischen
beiden noch so grofs sein. Die Bestandteile
liefsen der Phantasie weiten Spielraum, regel-
mäfsig wiederkehrende waren Bären- oder Eber-
schmalz, gepulverter Blutstein und das unver-
meidliche Moos vom Schädel eines Gerichteten.
Verschiedene Vorsichtsmafsregeln waren noch
vorgeschrieben, so die Bewahrung der Waffe
vor Hitze und Kälte. Statt ihrer genügte auch
ein in die Wunde gestecktes Stückchen Eschen-
holz. Der abenteuerliche Gedanke beruhte auf
der Vorstellung von einem alles durchdringenden
Lebensfluidum, dem Spiritus mundi, der auch in
der Medizin spukte. Während andere Beschwö-
rungen dem gemeinen Volke überlassen wurden,
hielt man diesen Glauben wissenschaftlicher Dis-
kussion für wmrdig. Eine 1700 erschienene Schrift
über sympathetische Kuren, die sich gegen andre
Waffensegen, z. B. die Schutzkraft des 116. Psalms,
verwahrt, widmet seinerVerteidigung einen längern
Abschnitt, indem sie zum Vergleich die rätsel-
haften magnetischen Kräfte heranzieht26). Selbst
ein ausgezeichneter Chirurg wie der 1721 ver-
storbene Purmann, der nach der Zeitsitte aus der
Barbierstube hervorg'egangen, brandenburgischer
Regimentsfeldscher, später Stadtchirurg zu Halber-
stadt und Breslau wurde, ist dafür eingetreten27).
Auf ihm beruht der ausführliche Artikel in Zedlers
Universallexikon 1745.
2C) Des mährischen Albertus Magnus Andreas Glorez
eröffnetes Wunderbuch. Regensburg 1700. Kap. 19.
27) Chirurgischer Lorbeerkrantz 1684 (nach Andreae
Chronik der Ärzte des Regierungsbezirks Magdeburg II
1862).

Reisenotizen eines Waffen Sammlers.
Von O. v. Hortstein.

I.
ie ungemein reiche Waffensammlung des
Bergschlosses Seebenstein in Nieder-
österreich, welches sich gegenwärtig im
Besitze Sr. Durchlaucht des regierenden
Fürsten Johann von Liechtenstein befindet, besteht
zum Teil aus der ehemaligen Rüstkammer der
Freiherrn von Königsberg, der einstigen Herren

des Schlosses, teils aus den vom Wildensteiner1)
Ritterbund gesammelten Objekten. Einen sehr
bedeutenden Anteil dürften aber auch die Fürsten
*) Ein 1790 auf Burg Seebenstein gegründeter Verein
von Altertumsfreunden, der sich nach dem ältesten Teile
des Schlosses, der Ruine Wildenstein benannte und 1823
aufgelöst wurde.


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