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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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9. Heft
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Preradović, Duschan: Waffengeschichtliche Notizen aus einer Reisebeschreibung zu Ausgang des Mittelalters
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Kekulé von Stradonitz, Stephan: Von der Vlies-Ausstellung und dem Turnier zu Brügge 1907
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0290

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9. HEFT STEPHAN KEKULE v STRADONITZ, VLIES-AUSSTELLUNG ZU BRÜGGE 271

mehrläufige Feuerwaffen gar nicht aufgenommen
habe“.
Hierzu habe ich nur zu bemerken', dafs das
Vorhandensein von „Triangeln“ schon zu Beginn

des 16. Jahrhunderts auf ein reges Artillerie-
versuchswesen bei Ausgang des Mittelalters
schliefsen liefse.

Von der Vlies-Ausstellung und dem Turnier zu Brügge 1907
Von Stephan Kekule von Stradonitz
I. Das Waffenwesen auf der Ausstellung.1)

Die alten Satzungen des Ordens vom Gold-
nen Vlies legten den Ordensrittern die
Verpflichtung auf, das aus der schweren
goldenen Halskette mit daran hängen-
dem gleichfalls goldenen Widderfell bestehende
Ordenszeichen jederzeit und sichtbar zu tragen.
Auf der Rüstung, zum Kampf wie zum Tur-
nier, dieses zu tun, war natürlich eine g-rofse Be-
schwerlichkeit. Aufserdem lief der Träger Gefahr,
das kostbare Kleinod zu verlieren. Es war daher
sehr natürlich, dafs die Ordens-Oberhäupter und
-Ritter schon frühzeitig darauf Bedacht nahmen,
der Tragepflicht dadurch zu genügen, dafs sie
Kette und Widderfell auf dem Metall der Rü-
stung selbst durch Einschneiden, Einätzen, Tau-
schierung usw. anbringen liefsen.
Ebenfalls schon zur Zeit des ersten Bestehens
des Ordens hatte sich aufserdem ein vielgestal-
tiges Abzeichenwesen, sozusagen abgekürz-
ter Abzeichen, des Ordens ausgebildet, das zur
Verwendung als Zierde, abgesehen von obiger
Tragepflicht, reiche Gelegenheit bot.

x) Exposition de la Toison d’Or ä Bruges. Catalogue.
Chapitre V: Armes et Armures, par W. Papeians de Mor-
choven, Avocat ä Bruges.
Les Chefs-d’oeuvre d’Art ancien ä l’Exposition de la
Toison d’Or ä Bruges en 1907. Publid sous les auspices
du Comite de l’Expositon. Armes et Armures, par M. G.
Macoir, attachb au Musde des Armes et Armures de Bru-
xelles. (Im Erscheinen begriffen und mir noch nicht zu-
gänglich.)
Für die allgemeine kultur- und kunstgeschichtliche
Bedeutung und Einwirkung des Orden vom Goldnen Vlies:
La Toison d’Or. Par le Baron H. Kervyn de Lettenhove,
Prbsident de l’Exposition de la Toison d’Or (Bruges, Juin-
Septembre 1907). (Das ausgezeichnete, hervorragend aus-
gestattete, mit zahllosen Abbildungen, auch einigen von
Waffen, versehene, ungewöhnlich billige Werk wurde von
mir im „Deutschen Herold“, Nr. 10 vom Oktober 1907
angezeigt.)
Sämtliche vorstehenden Werke sind bei der „Librairie
Nationale d’Art et d’Histoire G. van Oest & Cie.“ in
Brüssel 1907 erschienen.

Die Halskette des Ordens bestand aus Feuer-
stahlen (fusil oder briquet) und funkensprühenden
Feuersteinen (caillou).
Der Feuerstahl, der ungefähr die Gestalt
eines lateinischen B hatte, einzeln oder paarweise
und dann verschlungen, der Feuerstein, funken-
sprühend, ein Feuerstahl und ein funkensprüh-
ender Feuerstein daneben, oft auch nur die
Funken allein, dann zu vollständigen Flammen
ausgestaltet, traten als derartige Ordensabzeichen
vielfach selbständig auf.
Schutzpatron des Ordens war der heilige
Andreas. Sein Abzeichen, das Kreuz, an dem
er gemartert wurde, ist das sogenannte Andreas-
Astkreuz; zwei gekreuzte Stäbe in Gestalt eines
lateinischen X, meist Stämme mit Aststrünken.
Auch dieses Andreas-Astkreuz tritt vielfach
als selbständiges Abzeichen des Vliesordens auf,
sowohl allein, wie namentlich in Verbindung mit
dem Feuerstahl, der um den Schnittpunkt der
Kreuzstäbe geschlungen ist, und in Verbindung
mit den Funken oder Flammen, die das Kreuz
in den Winkeln begleiten.
Die verschiedenartige Benutzung und Ver-
bindung dieser Abzeichen untereinander in man-
nigfacher Weise gab den Künstlern reiche Ge-
legenheit, ihre Phantasie walten zu lassen, und
es ist klar, dafs diese Abzeichen sich auch nicht
nur selbständig, sondern in Zierbändern usw.
besonders gdücklich verwenden liefsen.
Alle vorbezeichneten Arten der Verwendung
der Abzeichen des Vliesordens haben nun an den
Schutz- und Trutzwaffen jener ritterlichen Zeit
in ausgedehnter Weise stattgefunden. Dafs die
Besucher der dem Gedächtnis des Ordens vom
Goldnen Vlies gewidmeten Ausstellung- in Brügge
infolgedessen auch eine Anzahl derartig ver-
zierter Waffen zu sehen bekommen würden,
war daher zu erwarten.
Hinzutreten konnten geeignetenfalls noch
einige Stücke, die zwar selbst nicht mit Ab-
 
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