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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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5. Heft
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Gohlke, Wilhelm: Nichtmetallische Geschützrohre
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Eyßen, Eduard: Ein Waffenschwindel zur Zeit des Großen Kurfürsten
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0169

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E. EYSSEN, EIN WAFFENSCHWINDEL ZUR ZEIT DES GROSZEN KURFÜRSTEN 149

5. HEFT

„Erd-Mörser oder Erdwurf ward 1633 in der
Belagerung von Kostnitz durch die Schweden
zuerst gebraucht, die feindlichen Werke mit
einer gröfseren Anzahl Steine zu überschütten
als der gewöhnliche Mörser liefern kann. Seit-
dem man aber die besonderen Steinmörser ein-
geführt hat, bedient man sich der Erdwürfe nur
noch bisweilen in Festungen, wenn es an jenem
fehlt, um die Annäherung der feindlichen Tran-
cheen zu erschweren und wendet die Steine der
aufgerissenen Pflaster der Stadt dazu an. Ein
solcher Erdwurf besteht aus einem grofsen Fafs
ohne Boden, das unter einem Winkel von 43 bis
45 Grad in die Erde gegraben und an den Seiten
gut verdammt wird, die hintere Seite ausge-
nommen, wo das Leitfeuer herausgelührt werden
soll. Unter der Mitte des Fasses wird die Pulver-
ladung entweder in einen hölzernen Kasten oder
in einer grofsen metallenen Kammer oder Pe-
tarde eingesetzt. Die Stärke der Ladung richtet
sich nach dem ungefähren Gewicht der zu wer-
fenden Steine, so dafs auf jedes Pfund derselben
2 bis 3 Lot (33.3 bis 50 g) Pulver gerechnet
werden kann, weil der Erdwurf überhaupt nur
auf nähere Entfernungen von 300 bis 500 Schritt
brauchbar ist. Auf die Ladung kommt ein 4 bis
5 Zoll (105 bis 131 mm) dicker hölzerner Plebe-
spieg'el, auf diesen aber werden die Steine der-
gestalt eingelegt, dafs die gröfsten zu unterst
und über der Axe der Kammer, die kleinen aber
an den Seiten und oben liegen, bis das Fafs
gröfstentheils damit angefüllt ist. Es ganz voll
Steine zu laden, hat den Nachteil, dafs die oberen
Lagen keinen Trieb bekommen, sondern unmittel-
bar vor dem Fasse niederfallen. Das Leitfeuer
besteht aus einer Stoppine, die durch eine blecherne
Röhre oder durch alte Flinten- oder Pistolläufe,
wovon man die Schwanzschrauben abgenommen
hat, vermittelst eines in die Kammer gemachten
Loches unten in die Ladung führt. Die hierzu

hinter dem Fasse ausg-egrabene Erde mufs mög-
lichst festgerammt, oben auf aber müssen Sand-
säcke gelegt werden, die 1% Durchmesser des
Fasses in Breite und Länge einnehmen und deren
Flöhe der Tiefe des ganzen Erdwurfs mit Ein-
schlufs der Kammer gleich ist, um einen hin-
reichenden Widerstand zu erhalten, damit die
Ladung nicht rückwärts wirkt. Man kann auch,
und besser noch, das Leitfeuer von vorn hinein
in die Ladung bringen und durch ein in den
Hebespiegel angebrachtes Loch bis mitten in die
Kammer führen. In diesem Falle wird die Stop-
pine oben heraus und auf einem untergelegten
Brett ein Stück seitwärts gesetzt, um den Erd-
wurf ohne Gefahr zünden zu können. Dieser
Erdwurf der am schicklichsten im gedeckten
Wege, um die Spitzen der feindlichen Sappen
zu bewerfen und nachher auf dem Hauptwalle
angebracht wird, bediente sich schon vorzüglich
der Artillerieobrist Getkant in der Belagerung
von Thorn 1639 sehr häufig und warf immer
500 bis 600 Pfund Steine oder Granaten von ver-
schiedenen Kaliber auf einmal in die Stadt.“ —
1805 versuchte Humbold in Preufsen einen
Erdmörser. Der Versuch mifslang, weil die
Ladung nach rückwärts schlug. Der Schacht
war in Sandboden ausgehoben. Das Gewicht
der Geschosse betrug 935 kg, die Ladung 11,7 kg.
1811 wurden ebenfalls in Preufsen der-
gleichen Versuche von Koschitzky angestellt. Die
Ausschachtung fand in Lehmboden statt; das Ge-
wicht der Steine betrug 700 kg, die Reichweite
90 m, bei ebenso grofser Streuung der Geschosse.
1831 in Metz durch Savart angestellte Ver-
suche mit Erdmörsern verliefen sehr günstig.
Bei einem im Jahre 1774 in Gibraltar angestelltem
Versuch wurde der Flug des Mörsers und die
Kammer in Fels ausgehauen. Das Gewicht der
Steine betrug hierbei 765 kg, die Ladung 3,7 kg,
die erreichte Entfernung 930 bis 1240 m.

Ein Waffenschwindel zur Zeit des Großen Kurfürsten
Von Dr. Eduard Eyßen

Aus der ursprünglichen Auffassung früherer
Jahrhunderte, dafs eine alte Waffe ledig-
lich als Erinnerungszeichen an eine ge-
schichtliche Tatsache oder einen helden-
haften Namen Wertschätzung fand, entwickelte
sich seit dem 18. Jahrhundert die in Sammlungen
bis in späte Zeiten geübte Mode, irgend welchen
Waffen stücken durch Umkleidung mit dem Nim-

bus mehr oder minder phantasiereicher und pom-
pöser historischer Beziehungen eine gröfsere Be-
rühmtheit zu verleihen, eine „Kuriosität“ aus ihnen
zu machen. Im Antiquitätenhandel findet Ähn-
liches zur Steigerung des Wertes noch heutzu-
tage statt.
Ein solcher Fall abenteuerlicher Zuschreibung
jedoch mit der offenkundigen Absicht des Betrugs
 
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