AGRIPPA VON NETTESHEIM
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Fassung bereits kurz nach ihrer Vollendung begonnen zu erweitern, die
Erweiterungen aber bis 1527 zu keinem befriedigenden Abschluß bringen
können.
Agrippas Gründe, um 1530 neben der endgültigen Herausgabe der
überarbeiteten Occulta philosophia auch den Druck seiner anderen Werke zu
forcieren, hängt sicher nicht nur damit zusammen, daß die über den Zeitraum
mehrerer Jahre produzierten Schriften auf Veröffentlichung drängten. So hatte
er immerhin 1530, in seiner Schrift De vanitate et incertitudine scientiarum et
artium die Thesen der Occulta philosophia widerrufen. Auch wenn diese
polemische Auseinandersetzung zu einem guten Teil pure Rhetorik gewesen
sein dürfte5, kann man hieraus den Schluß ziehen, daß Agrippas Publikations-
eifer nicht nur inhaltlich motiviert war. Für einen relativ unabhängigen Ge-
lehrten des 16. Jahrhunderts mußte es naheliegend und notwendig erscheinen,
durch die Publikation von Büchern im Gespräch zu bleiben. Denn ohne
Publizität konnte ein Humanist vom Schlage Agrippas kaum auf Anstellungen
an Höfen und in städtischen Gemeinwesen rechnen. Auf diese Anstellungen
war er ab 1528 in verstärktem Maße angewiesen; am Hof des französischen
Königs in Lyon, wo Agrippa sich durch die Verweigerung eines Horoskops
unbeliebt gemacht hatte, war das Geld für die Bezahlung von Astrologen und
Gelehrten ausgegangen, so daß Agrippa im selben Jahr eine Stellung als freier
Arzt in Antwerpen antreten mußte. Viel kann er dort nicht verdient haben, denn
1531 finden wir ihn für kurze Zeit im Schuldgefängnis zu Brüssel, und im Jahr
darauf floh er vor seinen Gläubigern von Brabant nach Köln.6
Speziell für eine Publikation der Occulta philosophia gab es noch andere
Gründe; so konnte er in einer überarbeiteten und gedruckten Fassung aktuelle
Diskussionen berücksichtigen, der Gefahr eines unautorisierten Druckes durch
andere vorbeugen und schließlich der Zirkulation verfälschender Manuskripte
des Werkes entgegentreten. Außerdem war Agrippa brieflich wiederholt um die
Occulta philosophia angegangen worden.7
1 . De occulta philosophia
Die übergeordnete Struktur des Werkes, seine Unterteilung in drei Bücher, die
sich sukzessive mit der physikalisch-elementaren Welt, mit ihrer Begründung
durch die mathematischen Wissenschaften und ihrer Perfektion durch die
Theologie befassen, ist in der frühen Fassung bereits definitiv vorgegeben8,
erhält aber 1533 eine elaboriertere Ausführung. Grundsätzlich basieren diese
Erweiterungen in der Ausgabe von 1533 nicht auf der Sichtung völlig neuen
Materials, denn besonders die bereits 1510 benutzten hermetischen und neo-
Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia. Ein Magisches System, in: Magia Naturalis und
die Entstehung der modernen Wissenschaften (Studia Leibnitiana Sonderheft 7), Wiesbaden
1978, S.19-29, S.21; NAUERT, Agrippa and the Crisis, S.100-102.
5 Vgl. WALKER, Demonic Magic, S.90.
6 Vgl. NOWOTNY, Agrippa, S.404; PROST, Les Sciences, Bd.2, S.328; MUELLER-JAHNCKE,
Magie als Wissenschaft, S.13.
7 Vgl. THORNDIKE, History of Magic, Bd.5, S.132.
8 Vgl. das nichtautographische Manuskript dieser Fassung, Würzburg, Universitätsbibliothek, Ms.
M. ch. q. 50; ich beziehe mich sowohl auf die Originalpaginierung im Manuskript (als Faksimile
abgedruckt bei NOWOTNY, Agrippa, S.519-586) als auch auf die Korrekturfahnen einer 1930
geplanten Ausgabe von H. Meier, London, Warburg Institute.
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Fassung bereits kurz nach ihrer Vollendung begonnen zu erweitern, die
Erweiterungen aber bis 1527 zu keinem befriedigenden Abschluß bringen
können.
Agrippas Gründe, um 1530 neben der endgültigen Herausgabe der
überarbeiteten Occulta philosophia auch den Druck seiner anderen Werke zu
forcieren, hängt sicher nicht nur damit zusammen, daß die über den Zeitraum
mehrerer Jahre produzierten Schriften auf Veröffentlichung drängten. So hatte
er immerhin 1530, in seiner Schrift De vanitate et incertitudine scientiarum et
artium die Thesen der Occulta philosophia widerrufen. Auch wenn diese
polemische Auseinandersetzung zu einem guten Teil pure Rhetorik gewesen
sein dürfte5, kann man hieraus den Schluß ziehen, daß Agrippas Publikations-
eifer nicht nur inhaltlich motiviert war. Für einen relativ unabhängigen Ge-
lehrten des 16. Jahrhunderts mußte es naheliegend und notwendig erscheinen,
durch die Publikation von Büchern im Gespräch zu bleiben. Denn ohne
Publizität konnte ein Humanist vom Schlage Agrippas kaum auf Anstellungen
an Höfen und in städtischen Gemeinwesen rechnen. Auf diese Anstellungen
war er ab 1528 in verstärktem Maße angewiesen; am Hof des französischen
Königs in Lyon, wo Agrippa sich durch die Verweigerung eines Horoskops
unbeliebt gemacht hatte, war das Geld für die Bezahlung von Astrologen und
Gelehrten ausgegangen, so daß Agrippa im selben Jahr eine Stellung als freier
Arzt in Antwerpen antreten mußte. Viel kann er dort nicht verdient haben, denn
1531 finden wir ihn für kurze Zeit im Schuldgefängnis zu Brüssel, und im Jahr
darauf floh er vor seinen Gläubigern von Brabant nach Köln.6
Speziell für eine Publikation der Occulta philosophia gab es noch andere
Gründe; so konnte er in einer überarbeiteten und gedruckten Fassung aktuelle
Diskussionen berücksichtigen, der Gefahr eines unautorisierten Druckes durch
andere vorbeugen und schließlich der Zirkulation verfälschender Manuskripte
des Werkes entgegentreten. Außerdem war Agrippa brieflich wiederholt um die
Occulta philosophia angegangen worden.7
1 . De occulta philosophia
Die übergeordnete Struktur des Werkes, seine Unterteilung in drei Bücher, die
sich sukzessive mit der physikalisch-elementaren Welt, mit ihrer Begründung
durch die mathematischen Wissenschaften und ihrer Perfektion durch die
Theologie befassen, ist in der frühen Fassung bereits definitiv vorgegeben8,
erhält aber 1533 eine elaboriertere Ausführung. Grundsätzlich basieren diese
Erweiterungen in der Ausgabe von 1533 nicht auf der Sichtung völlig neuen
Materials, denn besonders die bereits 1510 benutzten hermetischen und neo-
Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia. Ein Magisches System, in: Magia Naturalis und
die Entstehung der modernen Wissenschaften (Studia Leibnitiana Sonderheft 7), Wiesbaden
1978, S.19-29, S.21; NAUERT, Agrippa and the Crisis, S.100-102.
5 Vgl. WALKER, Demonic Magic, S.90.
6 Vgl. NOWOTNY, Agrippa, S.404; PROST, Les Sciences, Bd.2, S.328; MUELLER-JAHNCKE,
Magie als Wissenschaft, S.13.
7 Vgl. THORNDIKE, History of Magic, Bd.5, S.132.
8 Vgl. das nichtautographische Manuskript dieser Fassung, Würzburg, Universitätsbibliothek, Ms.
M. ch. q. 50; ich beziehe mich sowohl auf die Originalpaginierung im Manuskript (als Faksimile
abgedruckt bei NOWOTNY, Agrippa, S.519-586) als auch auf die Korrekturfahnen einer 1930
geplanten Ausgabe von H. Meier, London, Warburg Institute.