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AGRIPPA VON NETTESHEIM

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geistigen Welt widme sich daraufhin die im dritten Buch erörterte Theologie
oder zeremonielle Magie. Agrippa verbindet im ersten Kapitel der Edition von
1533 die neo-platonische Hierarchisierung der Welt mit seiner bereits 1510
vorgenommenen Einteilung der Magie in Physik, Mathematik und Theologie,
die der scholastischen Dreigliederung der Philosophie13 und Aristoteles' drei
Gattungen der theoretischen Wissenschaft entspricht.14 Außerdem bedient er
sich einer noch bei Campanella und Patrizzi gültigen, ursprünglich auf Plinius
zurückgehenden Kategorisierung der Magie. Die Magier bearbeiteten die
Elementarwelt mittels Naturphilosophie und Medizin, verbänden diese Welt
dann durch astrologische und mathematische Kräfte mit der himmlischen
Sphäre und festigten all dies mithilfe heiliger und religiöser Zeremonien.15
Durch die Magie wird der Aristotelische Hiatus zwischen sublunarisch-elemen-
tarer und himmlischer Welt überwunden.16 Als Quelle für die Vorstellung, daß
die Welten durch die Macht der Magie verbunden würden, hat Agrippa auf
ähnliche Formulierungen bei Ficino17 und Pico18 zurückgegriffen. Agrippas
Systematisierung der Magie, die in ihrer strikten Form weder bei Ficino noch
bei Pico auftaucht, entspricht exakt dem grundsätzlichen Charakteristikum der
Mikrokosmosidee, zwischen der niederen und der höheren Welt zu vermitteln.
Wie der Mensch als Mikrokosmos zwischen intellektueller, himmlischer und
irdischer Sphäre steht, verbindet die Magie durch ihre drei operativen Phasen
jene gleichermaßen dreigeteilten Sphären. Hierbei ist die Verbindung der mi-
krokosmologischen Terminologie des Neo-Platonismus mit dem alten Konzept
der Magie Agrippas entscheidende Neuerung gegenüber der Occulta philoso-
phia von 1510.
Andere Erweiterungen in der vollständigen Ausgabe von 1533 sind eine
indirekte Folge der zu Beginn des ersten Buches vorgenommenen Umstruk-
turierung. So wird das erste Buch um 6 Kapitel erweitert, die sich mit der
Elementenlehre selbst und ihrer Beziehung zur himmlischen Sphäre befassen
(1.3-6.). Im zweiten Buch schaltet Agrippa nicht nur eine völlig neue Betonung
der mathematischen Wissenschaften ein (2.1.), sondern läßt auch zahlreiche
neue Abschnitte über die Zahlen, ihre Bedeutung, über geometrische Figuren

13 Vgl. C. F. ZIKA, The Place of Johannes Reuchlin in the Renaissance Occult Tradition,
Magisterarbeit, 2Bde., Melbourne 1974, Bd.l, S.279-289, bes. S.280.

14 ARISTOTELES, Metaphysik 11.7. (1064b): Patet igitur tria genera speculativarum esse
scientiarum, physicam, mathematicam, theologicam. Zit. nach Opera omnia, Paris o.J., Bd.2,
S.592.

15 TOMMASO DI CAMPANELLA, De sensu rerum et magica libri quattuor, Frankfurt 1620,
S.261; F. PATRIZZI, Magia philosophica, Hamburg 1593, c.l9v-28v; PLINIUS, Naturalis
historia 30.1.: Unterteilung der Magie in Medizin, Religion und Mathematik/Astrologie, was
Agrippas Einteilung in veränderter Reihenfolge entspricht; vgl. AGRIPPA, Occulta philosophia,
1533, 1.1., fol.l.

16 Vgl. P. ZAMBELLI, Le problöme de la magie naturelle ä la Renaissance, in: Magia, astrologia
e religione nel Rinascimento, Breslau/Warschau/Krakau/Danzig 1974, S.48-82, S.60.

17 Vgl. MARSILIO FICINO, In convivium Platonis de amore, Commentarium 6.10., in: ders.,
Opera omnia, Bd.2, fol.1348; vgl. P. ZAMBELLI, Platone, Ficino e la magia, in: Studia
Humanitatis. E. Grassi zum 70. Geburtstag, München 1973, S.121-142, S.130.

18 PICO DELLA MIRANDOLA, Conclusiones, Genf 1973 (zuerst Rom 1486), Conclusiones
magice numerorum XXVI secundum opinionem propriam, S.78-80, S.79, Nr.13: Magicam
operari non est aliud quam maritare mundum; vgl. F. YATES, Giovanni Pico della Mirandola and
Magic, in: L'opera e il pensiero di Giovanni Pico della Mirandola nella storia dell'umanesimo.
Convegno intemazionale, Mirandola 1963, 2Bde., Florenz 1965, Bd.l, S.1-40, S.8; vgl. auch die
sympathetische Magie in Picos »Oratio de dignitate hominis«, in: PICO, De hominis dignitate
etc., Ed. Garin, S.152.
 
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