AGRIPPA VON NETTESHEIM 189
Wie Agrippa selbst angibt, geht diese Passage auf Hermes Trismegistos zurück,
der im achtzehnten Buch seines Pimander schreibt, daß nichts Seiendes
vergehe.21 Die Quellen für den Einschub a Graecis microcosmos dicitur
könnten Isidor, Honorius und Pico gewesen sein.22 Daneben sind
möglicherweise auch noch geläufige Vorstellungen über den Menschen als
Abbild Gottes aus dem Alten Testament eingeflossen (Genesis 1.27.).
Die Entwicklung der mikrokosmologisch abgeleiteten Unsterblichkeit des
Menschen steht in der Fassung von 1510 im Zusammenhang mit dem
vorangehenden und dem folgenden Kapitel. Dort werden zunächst die
himmlischen Körper und ihre vollkommenen Seelen und dann, anschließend an
die oben zitierten Ausführungen über den Mikrokosmos, die von der Materie
unabhängigen menschlichen Seelen und ihre Verbindung zum Leib erörtert.23
Dabei dient die Mikrokosmosvorstellung im Buch der zeremoniellen Magie als
verbindendes Glied zwischen den irdischen Sphären des ersten und den
unsterblichen des letzten Buches. Nicht nur aufgrund ihrer Kürze ist also die
Formulierung des Mikrokosmos lediglich ein unselbständiger Teil in einer
umfassenderen Gesamtargumentation.
Selbständiger und erheblich umfangreicher ist hingegen Agrippas 1516 in
seinen Dialogus de homine inkorporierte Auseinandersetzung mit dem Mikro-
kosmos.24 Aufgrund größerer Quellenkenntnis und einer begrenzteren
Fragestellung entwickelt Agrippa den Mikrokosmos hier wesentlich
systematischer. Während er 1510 den latinisierten griechischen Terminus Mi-
krokosmos einfach übernommen hatte, fügt er nun eine Art etymologischer
Begründung an, die auf einen Passus im Asclepius zurückgeht.25 Es folgen die
Relationen zwischen Mikro- und Makrokosmos, die in ihrer Diktion teilweise
wörtlich mit Formulierungen Picos übereinstimmen. Neben zwei Passagen,
deren Inhalt etwa bei Augustinus hätten gefunden werden können26, und neben
anderen, die Lazzarellis Crater Hermetis entnommen zu sein scheinen27, taucht
auch die besonders durch Pico bekannte Formulierung auf, daß der Mensch, der
kleine Welt genannt werde, quasi Gelenk und Knoten der großen Welt sei.28
Darauf folgt die bekannte Einteilung der Welt in intellektuell, engelhaft und
elementar, deren Beziehung zum Menschen als Mikrokosmos und schließlich
die Eigenschaft der menschlichen Seele als Abbild Gottes und der Trinität. Die
zentrale Passage des Textes, in der Agrippa die Frage beantwortet, auf welche
21 Nam si secundus Deus est mundus, et animal immortale, impossibile est, immortalis animalis
partem interire. Omnes vero in mundo, partes sunt mundi, maxime vero homo, rationale animal.
HERMES TRISMEGISTOS, Poemander 18, Quod nullum entium pereat, zit. nach PATRIZZI,
Magia philosophica, c.253r.
22 Vgl. ISIDOR VON SEVILLA, De natura rerum 9, PL 83, Sp.978A; HONORIUS
AUGUSTODINENSIS, De imagine mundi 1.82., PL 172, Sp.l40D; PICO, De hominis dignitate
etc., Ed. Garin, S.478.
23 Vgl. AGRIPPA, Occulta philosophia, 1510, fols.97r-100v, Ed. Meier, S.49a-50.
24 Lyon, Bibliothöque Municipale, Ms. Nr. 48, fols.44r-59v; vgl. ZAMBELLI, Agrippa, Dialogus,
mit Wiedergabe des Textes.
25 Vgl. ebd., S.51, und: Corpus hermeticum, hrsg. u. übers, v. A. D. Nock und A.-J. Festugiere,
4Bde., Paris 1945-1954, Bd.2, S.308.
26 Der Mensch als Bild der Trinität z.B. bei AUGUSTINUS, De trinitate 7.6.12., PL42, Sp.964,
als »omnis creatura« bei demselben, Ad orosium contra Priscilianistas et Originistas 1.8.11., PL
42, Sp.675.
27 Vgl. ZAMBELLI, Agrippa, Dialogus, S.61, Anm. 20 und 21.
28 PICO, De hominis dignitate etc., Ed. Garin, S.478 und 304.
Wie Agrippa selbst angibt, geht diese Passage auf Hermes Trismegistos zurück,
der im achtzehnten Buch seines Pimander schreibt, daß nichts Seiendes
vergehe.21 Die Quellen für den Einschub a Graecis microcosmos dicitur
könnten Isidor, Honorius und Pico gewesen sein.22 Daneben sind
möglicherweise auch noch geläufige Vorstellungen über den Menschen als
Abbild Gottes aus dem Alten Testament eingeflossen (Genesis 1.27.).
Die Entwicklung der mikrokosmologisch abgeleiteten Unsterblichkeit des
Menschen steht in der Fassung von 1510 im Zusammenhang mit dem
vorangehenden und dem folgenden Kapitel. Dort werden zunächst die
himmlischen Körper und ihre vollkommenen Seelen und dann, anschließend an
die oben zitierten Ausführungen über den Mikrokosmos, die von der Materie
unabhängigen menschlichen Seelen und ihre Verbindung zum Leib erörtert.23
Dabei dient die Mikrokosmosvorstellung im Buch der zeremoniellen Magie als
verbindendes Glied zwischen den irdischen Sphären des ersten und den
unsterblichen des letzten Buches. Nicht nur aufgrund ihrer Kürze ist also die
Formulierung des Mikrokosmos lediglich ein unselbständiger Teil in einer
umfassenderen Gesamtargumentation.
Selbständiger und erheblich umfangreicher ist hingegen Agrippas 1516 in
seinen Dialogus de homine inkorporierte Auseinandersetzung mit dem Mikro-
kosmos.24 Aufgrund größerer Quellenkenntnis und einer begrenzteren
Fragestellung entwickelt Agrippa den Mikrokosmos hier wesentlich
systematischer. Während er 1510 den latinisierten griechischen Terminus Mi-
krokosmos einfach übernommen hatte, fügt er nun eine Art etymologischer
Begründung an, die auf einen Passus im Asclepius zurückgeht.25 Es folgen die
Relationen zwischen Mikro- und Makrokosmos, die in ihrer Diktion teilweise
wörtlich mit Formulierungen Picos übereinstimmen. Neben zwei Passagen,
deren Inhalt etwa bei Augustinus hätten gefunden werden können26, und neben
anderen, die Lazzarellis Crater Hermetis entnommen zu sein scheinen27, taucht
auch die besonders durch Pico bekannte Formulierung auf, daß der Mensch, der
kleine Welt genannt werde, quasi Gelenk und Knoten der großen Welt sei.28
Darauf folgt die bekannte Einteilung der Welt in intellektuell, engelhaft und
elementar, deren Beziehung zum Menschen als Mikrokosmos und schließlich
die Eigenschaft der menschlichen Seele als Abbild Gottes und der Trinität. Die
zentrale Passage des Textes, in der Agrippa die Frage beantwortet, auf welche
21 Nam si secundus Deus est mundus, et animal immortale, impossibile est, immortalis animalis
partem interire. Omnes vero in mundo, partes sunt mundi, maxime vero homo, rationale animal.
HERMES TRISMEGISTOS, Poemander 18, Quod nullum entium pereat, zit. nach PATRIZZI,
Magia philosophica, c.253r.
22 Vgl. ISIDOR VON SEVILLA, De natura rerum 9, PL 83, Sp.978A; HONORIUS
AUGUSTODINENSIS, De imagine mundi 1.82., PL 172, Sp.l40D; PICO, De hominis dignitate
etc., Ed. Garin, S.478.
23 Vgl. AGRIPPA, Occulta philosophia, 1510, fols.97r-100v, Ed. Meier, S.49a-50.
24 Lyon, Bibliothöque Municipale, Ms. Nr. 48, fols.44r-59v; vgl. ZAMBELLI, Agrippa, Dialogus,
mit Wiedergabe des Textes.
25 Vgl. ebd., S.51, und: Corpus hermeticum, hrsg. u. übers, v. A. D. Nock und A.-J. Festugiere,
4Bde., Paris 1945-1954, Bd.2, S.308.
26 Der Mensch als Bild der Trinität z.B. bei AUGUSTINUS, De trinitate 7.6.12., PL42, Sp.964,
als »omnis creatura« bei demselben, Ad orosium contra Priscilianistas et Originistas 1.8.11., PL
42, Sp.675.
27 Vgl. ZAMBELLI, Agrippa, Dialogus, S.61, Anm. 20 und 21.
28 PICO, De hominis dignitate etc., Ed. Garin, S.478 und 304.