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LUCA PACIOLI

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künstlerischen Einflüssen unterlag Pacioli in seinen frühen Jahren auch den
Anregungen, die sich aus seinen Verbindungen zur venezianischen Kauf-
mannschaft ergaben. Sowohl für diese Klientel als auch für einen weiteren
Personenkreis verfaßte er seine arithmetischen Lehrbücher, deren Inhalt teils in
kaufmännisch relevanter Rechentechnik, teils in unterhaltenden mathematischen
Spielen bestand. Außerdem konnte er sich das Verdienst zuschreiben, als erster
überhaupt die Methode der doppelten Buchführung publiziert zu haben.4
Die Anschauungen Paciolis lassen sich aus seinen erhaltenen Schriften
rekonstruieren; zu diesen gehören neben einem unveröffentlichten Traktat über
Arithmetik und der ebenfalls ungedruckt gebliebenen Schrift De viribus
quantitatis5 seine beiden publizierten Werke, nämlich die zuerst 1494 und 1523
erneut erschienene Summa de arithmetica, geometria, proportioni e propor-
tionalita6 sowie der 1509 in Venedig herausgegebene Band De divina propor-
tione.7 Die Summa, ein in Form mittelalterlicher Enzyklopädien angelegtes
Werk, enthält sowohl eine Zusammenfassung der mathematischen Kenntnisse
des 15. Jahrhunderts als auch belehrende Anekdoten und autobiographische
Skizzen. Die rein mathematischen Abschnitte umfassen eine Darstellung von
Arithmetik und Algebra, deren Anwendung in der Handelsrechnung, eine Erör-
terung der doppelten Buchführung, die Wiedergabe verschiedener Münz- und
Maßverhältnisse sowie eine Abhandlung sowohl der reinen als auch der
angewandten Geometrie.8 Die Schrift De divina proportione enthält den 1497
am Hofe Lodovico Sforzas verfaßten Compendio de divina proportione, den
zum größten Teil auf Piero della Francesca zurückgehenden Libellus de quinque
corporibus regularibus9 sowie den teilweise aus Vitruv abgeschriebenen
Tractatus de architectura; in diesem findet sich auch die Auseinandersetzung
mit Vitruvs Proportionsfigur.
Luca Pacioli war in verschiedenen Städten sowie an einigen Höfen und
Universitäten Italiens als Lehrer der ars metrica" im besonderen und der
mathematischen Wissenschaften im allgemeinen tätig. Seine pädagogische
Karriere begann mit seiner Ankunft in Venedig, also etwa im Jahre 1464, als er
in die Dienste des venezianischen Kaufmanns Antonio Rompiansi trat.11 Er
kümmerte sich um die Erziehung der Kinder Rompiansis und erweiterte sein
mathematisches Wissen bei Domenico Bragadino, der seinerzeit nahe San
Giovanni di Rialto öffentlichen Mathematikunterricht erteilte. Paciolis in
Venedig gesammelte pädagogischen Erfahrungen sowie seine mathematischen

4 Vgl. P. CRIVELLI, An Original Translation of the Treatise on Double-Entry Book-Keeping by
Frater Lucas Pacioli, London 1924.

5 LUCA PACIOLI, De viribus quantitatis, Bologna, Biblioteca universitaria, Codex 250 (das Ms.
selbst lag mir nicht vor).

6 LUCA PACIOLI, Summa de arithmetica, geometria, proportioni et proportionalita, Venedig
1494.

7 LUCA PACIOLI, De divina proportione, Venedig 1509; im folgenden zitiert nach Fra LUCA
PACIOLI, Divina Proportione. Die Lehre vom goldenen Schnitt [...], herausgegeben, übersetzt
und erläutert von C. Winterberg, Wien 1889.

8 Vgl. die Analyse bei OLSCHKI, Geschichte der Literatur, Bd.l, S.164.

9 Vgl. M. D. DAVIS, Piero della Francesca's Mathemtical Treatises. The »Trattato d'abaco« and
»Libellus de quinque corporibus regularibus«, Ravenna 1977.

10 Vgl. B. BONCOMPAGNI, Intorno alle vite inedite di tre matematici, in: Bullettino di
bibliografia e di storia delle scienze matematiche e fisiche 12.1879, S.352-438 und S.863-872,
bes. S.432-436.

11 Vgl. STAIGMÜLLER, Paciuolo, S.85-87.
 
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