V.
Über das germanische Clement im
6olie jVspoIeon.
Von
Prof. vr. Iöpst in Heidelberg.
So gewiß die Wurzeln und der Charakter des germanischen
Rechtes vor Allem in Deutschland selbst ausgesucht werden müssen,
so muß doch auch der Blick nach Außen zu jenen Völkern gerichtet
werden, zu welchen das germanische Recht durch die Einwanderung
der germanischen Stämme verpflanzt worden ist, wenn man über
die Bildungsfähigkeit desselben ein umfassendes Unheil erlangen will.
Solche Untersuchungen müssen eher gemacht werden, bevor man ih-
rer Resultate bedarf. Wo die Legislationsfrage praktisch drängt,
dürfte es leicht an Zeit und Muße zur Untersuchung — wenn auch
nicht an gutem Willen zur Beherzigung ihrer Ergebnisse fehlen. Die
Völker sind in den letzten Jahrhunderten einander vielfach näher ge-
rückt. Handel und Verkehr nicht minder als die Politik haben viel-
fache Bande um sie geschlungen und mannigfache Berührungspunkte
erschaffen. Es ist unvermeidlich,. daß nicht die Rechtsbildung des
einen auf die anderen Einfluß übe. Das Bedürfniß einer verglei-
chenden Jurisprudenz neben der philosophischen Spcculation und
der historischen Forschung kann nicht mehr ohne Befriedigung gelas-
sen werden. Die Aufforderung hierzu ist um so dringender, als es
nur zwei Haupt- und Mutterrechte sind — das römische und das
germanische Recht — aus welchen alle übrigen Rechte des westlichen
Europa, ja sogar die Rechte von Amerika geflossen sind. Sie ist
um so dringender, als daö germanische Recht von den Germanen
als Siegern in die Provinzen des römischen Reiches getragen wor-
den und eben deßhalb, wie z. B. namentlich in Frankreich und Eng-
land, in manchen Lehren dem römischen Rechte vollständig obgesiegt,
Über das germanische Clement im
6olie jVspoIeon.
Von
Prof. vr. Iöpst in Heidelberg.
So gewiß die Wurzeln und der Charakter des germanischen
Rechtes vor Allem in Deutschland selbst ausgesucht werden müssen,
so muß doch auch der Blick nach Außen zu jenen Völkern gerichtet
werden, zu welchen das germanische Recht durch die Einwanderung
der germanischen Stämme verpflanzt worden ist, wenn man über
die Bildungsfähigkeit desselben ein umfassendes Unheil erlangen will.
Solche Untersuchungen müssen eher gemacht werden, bevor man ih-
rer Resultate bedarf. Wo die Legislationsfrage praktisch drängt,
dürfte es leicht an Zeit und Muße zur Untersuchung — wenn auch
nicht an gutem Willen zur Beherzigung ihrer Ergebnisse fehlen. Die
Völker sind in den letzten Jahrhunderten einander vielfach näher ge-
rückt. Handel und Verkehr nicht minder als die Politik haben viel-
fache Bande um sie geschlungen und mannigfache Berührungspunkte
erschaffen. Es ist unvermeidlich,. daß nicht die Rechtsbildung des
einen auf die anderen Einfluß übe. Das Bedürfniß einer verglei-
chenden Jurisprudenz neben der philosophischen Spcculation und
der historischen Forschung kann nicht mehr ohne Befriedigung gelas-
sen werden. Die Aufforderung hierzu ist um so dringender, als es
nur zwei Haupt- und Mutterrechte sind — das römische und das
germanische Recht — aus welchen alle übrigen Rechte des westlichen
Europa, ja sogar die Rechte von Amerika geflossen sind. Sie ist
um so dringender, als daö germanische Recht von den Germanen
als Siegern in die Provinzen des römischen Reiches getragen wor-
den und eben deßhalb, wie z. B. namentlich in Frankreich und Eng-
land, in manchen Lehren dem römischen Rechte vollständig obgesiegt,