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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Heide, Gustav: Kurfürstin Adelheid von Bayern
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0338
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3928 Kurfürſtin Adelheid von Bayern.

ihr von Verſchwendung zu reden, wenn ſie die frühere Knickerei
und Unbilligkeit gegen ihre Günſtlinge mit verdoppelter Gene—
roſität ausglich, wenn ſie Halsgeſchmeide, die ſie nur einmal
getragen, an ihre Courtiſanen verſchenkte? Wer endlich durfte
ſie ſchweigen heißen, wenn ſie in den Fragen des Landes ein
Wort mitzuſprechen begehrte? Und nun trieb auch das boyeriſche
Staatsſchiff mit vollen Segeln in das Fahrwaſſer Frankreichs.
Graf Hermann Fürſtenberg, ein Bruder der als franzöſiſche Partei—
gänger berüchtigten Grafen Egon und Wilhelm, führte das Steuer,
und es beginnt die Reihe der Allianz- und Subſidienverträge,
durch die ſich der Kurſtaat zur Vertretung der franzöſiſchen Inter-.
eſſen auf allen Reichstagen und Konventen, zu einer bewaffneten
Neutralität zum Vorteile dieſer Macht und bei der nächſten
Kaiſerwahl zur Abgabe ſeiner Stimme für Ludwig XIV. ver—
pflichtete. Ja, es ließ ſich der Kurfürſt am Gängelbande fran—
zöſiſcher Staatskunſt dahin bringen, im Jahre 1675 in einem
geradezu nationalen Kriege dem ſchwediſchen Reichsfeinde gegen
Brandenburg Hilfe zu verſprechen.

Daß der Kurfürſtin an dieſem Syſtemwechſel ein ziemlich
reicher Anteil zugemeſſen werden darf, ſteht außer Frage. Wer
anders als ſie konnte den Kurfürſten z. B. veranlaſſen, dem
Herzog von Savoyen zur Unterwerfung der aufſtändiſchen Waldenſer,
wie ſpäter zum Kriege mit Genua militäriſchen Sukkurs zu ſchicken?
Iſt es doch bekannt, daß Ferdinand Maria, was Gefügigkeit und
Lenkſamkeit des Willens betrifft, von keinem ſeiner Vorgänger
oder Nachfolger übertroffen wurde. Was liegt da näher, als daß
er nach dem Tode ſeiner Mutter und des Grafen Kurz — unter
deren Leitung, wie ein franzöſiſcher Memoirenſchriftſteller ſich mit
beißendem Witz einſt ausdrückte, er ſo wenig irren zu können
glaubte, wie der Papſt — ſich völlig dem Einfluß ſeiner Gemahlin
hingab, deren geiſtige Ueberlegenheit er neidlos anerkannte und
die er abgöttiſch liebte, beſonders ſeitdem ſie nach Jahren anhal—
tender Unfruchtbarkeit ihn mit Nachkommenſchaft beſchenkte? Als
das freudige Ereignis zum erſtenmal eintrat, ſchrieb es die Bigot—
terie jener Zeit der Wirkung eines gemeinſchaftlich zur ſelben Zeit
geſprochenen Gebetes der Kurfürſtin und eines frommen in Bologna
lebenden Theatinerbruders zu, und die im ſchwülſtigen Barocko,
doch im Innern nicht ohne vornehme Pracht gebaute Theatiner—
kirche in München iſt das aus jenem Anlaß errichtete Koloſſal—

1 Chapuzeau in ſeiner Rélation de l'estat ete. verſichert beſtimmt: L'Elec-
teur est souvent trèscaise d'écouter ses sentiments.
 
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