Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

DOI Artikel:
Heigel, Karl Theodor von: Neu aufgefundene Tagebücher Kaiser Karls VII
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0491
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Neu aufgefundene Tagebücher Kaiſer Karls VII. 481

heiligen Matthäus. Hierauf verließ Seine Hoheit das Schiff und
ſtieg, von allen Damen begleitet, hinab zu den Gondeln des Dogen,
die in der Nähe bereit lagen, um den Prinzen auf die eigentliche
Werft zu bringen, d. h. dem für den Bau der Kriegsſchiffe be—
ſtimmten Platz, wo dieſelben geteert und mit Werg ausgeſtopft
werden. Sodann kam man zu dem Lagerhaus, wo der Bucintoro
aufbewahrt wird. Der Prinz, ſämtliche Damen und viele venezia—
niſche und fremde Edelleute beſtiegen die Galeere; aber kaum waren
ſie auf Deck angelangt, wurden die Tragebalken und anderen
Maſchinen, die das berühmte Fahrzeug über Waſſer hielten, weg—
geſtoßen, und faſt unvermerkt nahm das Schiff ſeinen Kurs nach
der See, während am Ufer die Trompeter eine Fanfare blieſen, die
Tamboure anſchlugen und eine unzählige Menge ,Viva sua altezaa
serenissima! rief. Endlich wurde der Prinz in die Waffenkammer
nahe am Eingang ins Arſenal zurückgebracht. Hier hatte Kavalier
Bembo ein reiches Frühſtück bereit geſtellt. Seine Hoheit nahm
hier mit den Damen — es waren ihrer mehr denn dreißig — Platz
und blieb ungefähr eine Stunde. Im großen Saale drängte ſich
eine ſo zahlreiche Menge von venezianiſchen und fremden Kavalieren,
daß man ſich kaum noch bewegen konnte. Auch Muſik ließ ſich
zu Ehren Seiner Hoheit hören. Als das Stück verklungen war,
trat der Prinz ans Fenſter, um die Spiele des Herkules mit—
anzuſehen, welche von den Gondelieren, die den Namen Caſtellani
tragen, aufgeführt wurden. Zu dieſem Behuf war an der Mün—
dung des Kanals ein kleines Theater aufgeſchlagen. Erſt gegen
5 Uhr abends war alles zu Ende. Seine Hoheit ſprach dem
Gouverneur für die hohe Auszeichnung, die ihm zu teil geworden
war, ſeinen Dank aus, beſtieg ſeine Gondel und verließ das
Arſenal, während alle Musketiere die Büchſen abfeuerten. Noch
am nämlichen Abend gab der Prinz ſieben oder acht Damen, die
an der Arſenalwanderung teilgenommen hatten, desgleichen ſeinen
Ehrenbegleitern, den vier Nobili, und dem Gouverneur des Arſenals
ein Souper.“

Auch von einem Beſuch der Glasbläſer in Murano entwirft
das Tagebuch eine lebendige Schilderung, welche freilich mit be—
ſonderer Vorliebe wieder bei dem glänzenden Feſtgelage, welches
die bayeriſchen Gäſte mit den erſten Vertretern des venezianiſchen
Adels vereinigte, verweilt. Nach einem Trinkſpruch auf den Ehren—
gaſt der Republik wurden alle Gläſer an die Wände geſchleudert;
dann wurde die Tafel aufgehoben und nun erſt auch den übrigen,
aus der Stadt gekommenen vornehmen Venezianern Zutritt gewährt.
Es waren mehr denn hundert Edelleute und fünfzig Damen an—
 
Annotationen