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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Brückner, Alexander: Russen und Franzosen, 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0771
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Ruſſen und Franzoſen. 761

hilfen iſt in Pingauds Buche ein ſehr wertvoller Abſchnitt (das
elfte Kapitel) gewidmet. Richelieu war ein tüchtiger Arbeiter,
ſelbſtlos und ideal angelegt. Ungemein vorteilhaft unterſcheidet
er ſich von vielen andern franzöſiſchen Einwanderern, welche als
Schmarotzerpflanzen ein ungemein kümmerliches Daſein verbrachten
und zum Teil mehr ſchadeten als nützten. Jahrelang hat Richelieu
in Südrußland eine Art ſouveräner Stellung eingenommen, und
noch heute wird man in Odeſſa und in der Krim bei unzähligen
Gelegenheiten an die Wirkſamkeit des tüchtigen Mannes erinnert.
Der überaus raſche Aufſchwung Odeſſas wird ſeinen großartigen
Reformen verdankt. In der Zeit ſeiner Verwaltung wurde der
Grund gelegt zu den Baumpflanzungen in Odeſſa, zu manchen
Landbaukolonien in der Umgebung, zu der Entwickelung der Schaf—
züchtereien in Südrußland. Er regulierte die Waſſerwege, legte
in der Krim den Nikitagarten an, dehnte ſeinen wohlthuenden
Einfluß bis nach dem Kaukaſus aus. Seine Gehilfen waren
Raimbaud, Raynard, Roſſet, Caſtelnau (Verfaſſer einer Geſchichte
Südrußlands), Bazaine, Albrand, Thomon u. a. Die erſten
Schafzüchter in Südrußland waren ebenfalls Franzoſen; Lanch,
Réveillod, Rouvier, Madame Potier, Madame Vaſſal u. a. Quin—
ſonas baute im Kaukaſus Forts und befeſtigte Tiflis, Clari legte
in Kaffa Baumwollplantagen an, Maiſons bot alles auf, um die
Nogaier in der Steppe an eine ſeßhafte Lebensweiſe zu gewöhnen,
ſie zur Beſchäftigung mit dem Ackerbau zu erziehen; der Zoll—
direktor von Kertſch, Paul Dubrur, beſchäftigte ſich bis an ſeinen
Tod erfolgreich mit archäologiſchen Forſchungen u. ſ. w. Auf das
Schulweſen Südrußlands übten die Franzoſen lange Zeit hindurch
einen wohlthuenden Einfluß. An der 1804 gegründeten Uni—
verſität Charkow waren Delavigne als Botaniker, Paquis de Sau—
vigny als Philoſoph thätig; ein tüchtiger Schulmann in Odeſſa
war Jeudy-Degour. Das Gymnaſium Richelieu beſteht noch heute,
das Lyceum Richelien beſtand einige Jahrzehnte und wurde vor
ein paar Jahrzehnten in eine Univerſität verwandelt. Richelieu
hat die Einnahmen von ſeinem Gute Urſuf in der Krim für
Schulzwecke verwandt. Er nahm perſönlichen Anteil an den
Prüfungen in den von ihm gegründeten Lehranſtalten. Als in
Odeſſa monatelang die Peſt wütete, legte Richelien beim Beſuche
der Krankenhäuſer, beim Ueberwachen aller Maßregeln zur er—
folgreichen Bekämpfung der Seuche einen bewunderungswürdigen
Heroismus an den Tag; ſein unermüdlicher Genoſſe Roſſet erlag
der ermattenden Arbeit bei dieſer Gelegenheit.

Sehr geiſtreich bemerkt Pingaud, daß Voltaire und Richelieu
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte ꝛc., 1886. Heft X. 49
 
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