Uber Dürers Leben und schaffen.
In ihrer geschichtlichen Stellung erscheint Dürers Runst in erster
Linie als ein Abschluß und Höhepunkt. Um richtig zu würdigen,
was der Nürnberger Meister seinerseits erstrebte und erreichte, müssen
wir uns darum in kurzen Zügen vergegenwärtigen, wie es um die
nordische Uunst stand, als Dürers Schaffen einsetzte.
Wer die Uunst des XV. Jahrhunderts überblickt, dessen Auge fällt
vor allem auf die Brüder van Eyck, die am Anfang jenes Jahr-
hunderts mit einem Werke auf den plan traten, das alles gleichzeitige
Uunstschasfen weit überragte. Die Wurzeln ihrer Uunst sind uns
nicht in wünschenswerter Weise erkennbar, auch erhob sich zunächst
keiner der Nachfolger zu der gleichen höhe. Der Genter Altar ist
das epochemachende Denkmal der neuen Technik der (Ölmalerei und
trotz aller nach rückwärts weisenden Bestandteile zugleich das einer
veränderten Anschauungs- und Denkweise. Wir beobachten, daß
der Sinn für die individuelle Persönlichkeit im Laufe des XIV. Jahr-
hunderts mehr und mehr erstarkte, z. V. die versuche Porträt-
darstellungen zu geben mehren sich zusehends, aber auch den Werken der
unbelebten Schöpfung gegenüber bildeten sich vorher nicht bekannte An-
schauungen heraus. Recht im Gegensatz zu der mönchisch asketischen
Weltslucht des Mittelalters und seinem Schönheitsideal, das im letzten
Grunde auf schematisch abstrakter Grundlage beruhte, hatte die
Schönheit und die unerschöpfliche Mannigfaltigkeit der Erscheinungs-
formen der belebten wie der unbelebten Welt bis zur Gestalt des
Menschen hinauf dem Auge sich so weit erschlossen, daß die gesamte
Natur darstellenswert erschien. Individuelles Empfinden hatte auch
in der Runst, obwohl sie im wesentlichen eine rein kirchliche
war, allmählich mehr und mehr Eingang gesunden. Das kommt
nun alles auf dem Genter Altar plötzlich in überraschendster Weise
zum Ausdruck, und man weiß, wie dieser Altar durch die Reize seines
der Natur abgelauschten Reichtums jedermann zur Bewunderung
Zucker, Dürers Briefe. I
In ihrer geschichtlichen Stellung erscheint Dürers Runst in erster
Linie als ein Abschluß und Höhepunkt. Um richtig zu würdigen,
was der Nürnberger Meister seinerseits erstrebte und erreichte, müssen
wir uns darum in kurzen Zügen vergegenwärtigen, wie es um die
nordische Uunst stand, als Dürers Schaffen einsetzte.
Wer die Uunst des XV. Jahrhunderts überblickt, dessen Auge fällt
vor allem auf die Brüder van Eyck, die am Anfang jenes Jahr-
hunderts mit einem Werke auf den plan traten, das alles gleichzeitige
Uunstschasfen weit überragte. Die Wurzeln ihrer Uunst sind uns
nicht in wünschenswerter Weise erkennbar, auch erhob sich zunächst
keiner der Nachfolger zu der gleichen höhe. Der Genter Altar ist
das epochemachende Denkmal der neuen Technik der (Ölmalerei und
trotz aller nach rückwärts weisenden Bestandteile zugleich das einer
veränderten Anschauungs- und Denkweise. Wir beobachten, daß
der Sinn für die individuelle Persönlichkeit im Laufe des XIV. Jahr-
hunderts mehr und mehr erstarkte, z. V. die versuche Porträt-
darstellungen zu geben mehren sich zusehends, aber auch den Werken der
unbelebten Schöpfung gegenüber bildeten sich vorher nicht bekannte An-
schauungen heraus. Recht im Gegensatz zu der mönchisch asketischen
Weltslucht des Mittelalters und seinem Schönheitsideal, das im letzten
Grunde auf schematisch abstrakter Grundlage beruhte, hatte die
Schönheit und die unerschöpfliche Mannigfaltigkeit der Erscheinungs-
formen der belebten wie der unbelebten Welt bis zur Gestalt des
Menschen hinauf dem Auge sich so weit erschlossen, daß die gesamte
Natur darstellenswert erschien. Individuelles Empfinden hatte auch
in der Runst, obwohl sie im wesentlichen eine rein kirchliche
war, allmählich mehr und mehr Eingang gesunden. Das kommt
nun alles auf dem Genter Altar plötzlich in überraschendster Weise
zum Ausdruck, und man weiß, wie dieser Altar durch die Reize seines
der Natur abgelauschten Reichtums jedermann zur Bewunderung
Zucker, Dürers Briefe. I