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Briefe Dürers.
meiner geringschätzigen Werk unterlassen müssen, dieweil ich ge-
wußt, daß ich mit denselben vor Euer Weisheit nit ganz wähl hätt
mügen bestehn. Nachdem ich aber diese vergangen Zeit ein Tafel
gemalt und darauf mehr Fleiß dann ander Gemäl gelegt hab
(Nbb. 15u und 15b), acht ich Niemand wirdiger, die zu einer Ge-
dächtnuß zu behalten dann Euer Weisheit. Derhalb ich auch die-
selben hiemith verehr, unterthänigs Fleiß bittend, die wolle diese
mein kleine Schenk gefällig und günstlich annehmen und mein
günstig lieb Herren, wie bisher ich allweg gefunden hab, sein und
beleiben. Das will ich mit aller Untertänigkeit um Euer Weisheit
zu verdienen geslissen sein.
Euer Weisheit
untertäniger
Nlbrecht Dürer.
7) Soll heißen: Euer Weisheit mit meinem Werk verehr, d. i. beschenke.
2) Abb. 16 sein Porträt, gestochen im Jahre 1526. ctr. Mb. 2 des ge-
zeichneten Porträts vom Jahre 1503.
Die Widmung der „Messung" und des Werkes
„von menschlicher Proportion".
von seinen drei wissenschaftlichen Werken widmete Dürer die „Unter-
weisung der Messung" und die „vier Bücher von menschlicher Proportion"
seinem Freunde pirkheimer?)
wir wissen, daß Dürer theoretische Betrachtungen über die Proportion
des Menschen und auch des Pferdes schon früh beschäftigten. Man glaubte an
die Möglichkeit, das Geheimnis der Schöpfung ergründen und in Zahlen aus-
sprechen zu können, wie der Künstler die Glieder des Leibes in ihrem Ver-
hältnis zueinander bilden müßte, um den Urabsichten der Natur gleichzukommen.
Daß das Altertum schon im Besitz dieses wissens gewesen sei, nahm man an,
und auch Dürer war zunächst dieser Ansicht. Es handelte sich demnach darum,
ideale Proportionen zu entdecken, ein Idealschema zu finden, das in allen Fällen
als Richtschnur sollte dienen können. Im Lause seiner Betrachtungen kam aber
Dürer zu der Einsicht, daß solche Idealproportionen nicht ausfindig zu machen
wären. Würde man sie kennen, so wäre damit allgemeingültig entschieden, was
Schönheit sei. Dürer aber muß bekennen, das zu wissen sei Gott vorbehalten.
Doch gab er darum diese Studien nicht auf. Die Beobachtung, daß die Künstler
sozusagen planlos ihre Gestalten zu entwerfen pflegten und es darum nur dem
Zufall verdankten, wenn ihnen eine Gestalt entsprechend geriet, forderte M-
Briefe Dürers.
meiner geringschätzigen Werk unterlassen müssen, dieweil ich ge-
wußt, daß ich mit denselben vor Euer Weisheit nit ganz wähl hätt
mügen bestehn. Nachdem ich aber diese vergangen Zeit ein Tafel
gemalt und darauf mehr Fleiß dann ander Gemäl gelegt hab
(Nbb. 15u und 15b), acht ich Niemand wirdiger, die zu einer Ge-
dächtnuß zu behalten dann Euer Weisheit. Derhalb ich auch die-
selben hiemith verehr, unterthänigs Fleiß bittend, die wolle diese
mein kleine Schenk gefällig und günstlich annehmen und mein
günstig lieb Herren, wie bisher ich allweg gefunden hab, sein und
beleiben. Das will ich mit aller Untertänigkeit um Euer Weisheit
zu verdienen geslissen sein.
Euer Weisheit
untertäniger
Nlbrecht Dürer.
7) Soll heißen: Euer Weisheit mit meinem Werk verehr, d. i. beschenke.
2) Abb. 16 sein Porträt, gestochen im Jahre 1526. ctr. Mb. 2 des ge-
zeichneten Porträts vom Jahre 1503.
Die Widmung der „Messung" und des Werkes
„von menschlicher Proportion".
von seinen drei wissenschaftlichen Werken widmete Dürer die „Unter-
weisung der Messung" und die „vier Bücher von menschlicher Proportion"
seinem Freunde pirkheimer?)
wir wissen, daß Dürer theoretische Betrachtungen über die Proportion
des Menschen und auch des Pferdes schon früh beschäftigten. Man glaubte an
die Möglichkeit, das Geheimnis der Schöpfung ergründen und in Zahlen aus-
sprechen zu können, wie der Künstler die Glieder des Leibes in ihrem Ver-
hältnis zueinander bilden müßte, um den Urabsichten der Natur gleichzukommen.
Daß das Altertum schon im Besitz dieses wissens gewesen sei, nahm man an,
und auch Dürer war zunächst dieser Ansicht. Es handelte sich demnach darum,
ideale Proportionen zu entdecken, ein Idealschema zu finden, das in allen Fällen
als Richtschnur sollte dienen können. Im Lause seiner Betrachtungen kam aber
Dürer zu der Einsicht, daß solche Idealproportionen nicht ausfindig zu machen
wären. Würde man sie kennen, so wäre damit allgemeingültig entschieden, was
Schönheit sei. Dürer aber muß bekennen, das zu wissen sei Gott vorbehalten.
Doch gab er darum diese Studien nicht auf. Die Beobachtung, daß die Künstler
sozusagen planlos ihre Gestalten zu entwerfen pflegten und es darum nur dem
Zufall verdankten, wenn ihnen eine Gestalt entsprechend geriet, forderte M-