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Über Dürers Leben und Schaffen.
drucksmittel suchen, um auch der Form gerecht zu werden, wenn fei-
neres Eingehen verlangt wurde. Kus diesem Heide war der Hortschritt
langsamer. Dürer hatte offenbar während seiner Wanderjahre nicht
die notige Gelegenheit gehabt sich im Stechen zu üben. In Kalmar
war Martin Schongauer bereits tot, als er dort eintras. Es ist eine
sehr richtige Bemerkung Lippmanns, daß in dem künstlerischen weg
Dürers die Phasen, welche die Stechkunst vor ihm durchlaufen hat,
sich in seiner Entwicklung noch einmal in Kürze wiederholen, d. h.
Dürer fing eigentlich als Autodidakt von vorn an, vervollkommnete
sich aber in sicherem Hortschreiten; bei ihm stand eben die Übung in
der Technik von Anfang an im Dienste höherer künstlerischer Gedanken.
Bei den frühesten Stichen machte ihm das Zeichnen aus der Kupfer-
platte ersichtlich Schwierigkeiten, die Striche sind rauh, und die Gesamt-
wirkung erscheint unausgeglichen. Allmählich wird aber die Hand
sicherer, der Linienzug wird frei und rein, und nach Verlauf mehrerer
Jahre ist Dürer imstande, alle seine Vorgänger weit hinter sich lassend,
Probleme bei der Bearbeitung des Kupfers sich zu stellen, die ein
intuitives, künstlerisches Erschauen dessen, was möglich war, voraus-
setzen. Doch führt uns diese Stufe schon ziemlich weit über das Jahr
der Apokalypse hinaus. Der früheste datierte Stich, der das Datum
1497 trägt, bezeichnet erst noch eine Entwicklungsstufe des technischen
Hortschritts, wenn wir die Ausbildung des Stiches bei Dürer bis zu
dem Punkte verfolgen wollen, wo die Platte jeder Absicht der Hand,
sei es daß sie der Horm nachgehen, oder Abstufungen von Licht und
Schatten geben will, sich gefügig erweist, müssen wir zu den Jahren
1503 und 1504 fortschreiten. Zwei Blätter können hier als Marksteine
dienen. Das Wappen mit dem Totenkopf von 1503 weist einen Helm
auf, der in „strahlender Naturwahrheit" des polierten Metalls er-
glänzt, und auf dem Paradiesstich vom Jahre 1504 ist die stecherische
Hreiheit zu solcher Heinheit fortgeschritten, daß Dürer, als ob er mit
dem pinsel malte, Licht und Schatten in den zartesten Abstufungen
zu geben weiß. Selbst die Unterschiede der Gberslächenerscheinung
der Körper von Adam und Eva zu charakterisieren macht ihm keine
Schwierigkeit. Stärker und feiner gezogene, mannigfach sich kreuzende,
stellenweise in Punkte sich auflösende Linien ermöglichen es Dürer,
mit emailleartig vertreibender Malweise in die Schranken zu treten.
Er war auch stolz auf diese Leistung, denn er setzte auf das Blatt
Über Dürers Leben und Schaffen.
drucksmittel suchen, um auch der Form gerecht zu werden, wenn fei-
neres Eingehen verlangt wurde. Kus diesem Heide war der Hortschritt
langsamer. Dürer hatte offenbar während seiner Wanderjahre nicht
die notige Gelegenheit gehabt sich im Stechen zu üben. In Kalmar
war Martin Schongauer bereits tot, als er dort eintras. Es ist eine
sehr richtige Bemerkung Lippmanns, daß in dem künstlerischen weg
Dürers die Phasen, welche die Stechkunst vor ihm durchlaufen hat,
sich in seiner Entwicklung noch einmal in Kürze wiederholen, d. h.
Dürer fing eigentlich als Autodidakt von vorn an, vervollkommnete
sich aber in sicherem Hortschreiten; bei ihm stand eben die Übung in
der Technik von Anfang an im Dienste höherer künstlerischer Gedanken.
Bei den frühesten Stichen machte ihm das Zeichnen aus der Kupfer-
platte ersichtlich Schwierigkeiten, die Striche sind rauh, und die Gesamt-
wirkung erscheint unausgeglichen. Allmählich wird aber die Hand
sicherer, der Linienzug wird frei und rein, und nach Verlauf mehrerer
Jahre ist Dürer imstande, alle seine Vorgänger weit hinter sich lassend,
Probleme bei der Bearbeitung des Kupfers sich zu stellen, die ein
intuitives, künstlerisches Erschauen dessen, was möglich war, voraus-
setzen. Doch führt uns diese Stufe schon ziemlich weit über das Jahr
der Apokalypse hinaus. Der früheste datierte Stich, der das Datum
1497 trägt, bezeichnet erst noch eine Entwicklungsstufe des technischen
Hortschritts, wenn wir die Ausbildung des Stiches bei Dürer bis zu
dem Punkte verfolgen wollen, wo die Platte jeder Absicht der Hand,
sei es daß sie der Horm nachgehen, oder Abstufungen von Licht und
Schatten geben will, sich gefügig erweist, müssen wir zu den Jahren
1503 und 1504 fortschreiten. Zwei Blätter können hier als Marksteine
dienen. Das Wappen mit dem Totenkopf von 1503 weist einen Helm
auf, der in „strahlender Naturwahrheit" des polierten Metalls er-
glänzt, und auf dem Paradiesstich vom Jahre 1504 ist die stecherische
Hreiheit zu solcher Heinheit fortgeschritten, daß Dürer, als ob er mit
dem pinsel malte, Licht und Schatten in den zartesten Abstufungen
zu geben weiß. Selbst die Unterschiede der Gberslächenerscheinung
der Körper von Adam und Eva zu charakterisieren macht ihm keine
Schwierigkeit. Stärker und feiner gezogene, mannigfach sich kreuzende,
stellenweise in Punkte sich auflösende Linien ermöglichen es Dürer,
mit emailleartig vertreibender Malweise in die Schranken zu treten.
Er war auch stolz auf diese Leistung, denn er setzte auf das Blatt