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Über Dürers Leben und Schaffen.
plant, kam aber über Skizzen und Entwürfe nicht hinaus. Km
wenigsten befriedigt wohl unter allen damaligen Krbeiten die Lucretia
der Pinakothek in München, die mit Benützung einer schon 1506 in
Venedig gezeichneten Studie fast lebensgroß ausgeführt wurde. Die
plastische Durchbildung des Körpers gleicht die ungünstige Wirkung
der Harke nicht aus, auch der Kusdruck des seelischen Schmerzes befriedigt
nicht?) Holzschnitt- und Stichtechnik bleiben dagegen auf ihrer vollen
höhe, und zu den beiden Holzschnittporträts des Kaisers tritt im
Jahre 1519 auch Dürers erstes Kupserstichporträt hinzu. Es ist das
des Kardinalerzbischofs Klbrecht von Mainz. Mit diesem Stück
wurde Dürer der eigentliche Begründer dieser Porträtgattung?) Die
Zeichnung dazu war im Jahre vorher gleichfalls auf dem Kugsburger
Reichstag entstanden, auch die Porträts des Kardinals Lang und
seines Kunstgenossen, des Malers Burgkmair, hat Dürer damals
gezeichnet.
Einen letzten und hochwichtigen Einschnitt in Dürers äußerem
Leben wie in seinem künstlerischen Schaffen bildet die niederländische
Reise, die er im Juli 1520 antrat. Ein ganzes Jahr blieb er der
Heimat fern. Ls galt die Bestätigung des Leibgedings von 100
Gulden von dem Nachfolger Maximilians zu erhalten. Kber auch,
als jener Zweck erreicht war, kehrte Dürer noch längere Zeit nicht
nach Nürnberg zurück. Nach dieser Unterbrechung tritt voll der große
Zug zutage, der früher öfter sich gezeigt hatte, aber nie ganz frei zum
Durchbruch gekommen war. Nun haben die einstigen Einwirkungen
des Südens im Zusammentreffen mit den neuen Eindrücken des nieder-
ländischen Lebens und der niederländischen Kunst endlich jede Hemmung
hinweggenommen. Dürer war fast ein Fünfziger, als er jene Reise
antrat, aber sein Tagebuch und seine vielen Zeichnungen bezeugen
uns volle Empfänglichkeit für neue Eindrücke, und die nach der Rückkehr
entstandenen Werke sind das Stolzeste, was die ältere deutsche Kunst
aufweisen kann. Diese Reise ist darum nicht bloß ein in Dürers
1) Eine Skizze des Britischen Museums vom Jahre 1520 zeigt die nackte
Büste eines schmerzvoll nach oben blickenden Weibes. Es liegt nahe diese Zeichnung
als eine nachträgliche Korrektur des Bildes zu nehmen. Wir finden dergleichen
öfter bei Dürer.
2) Die wenigen Stiche, die vorher entstanden, treten neben den Dürerschen
Krbeiten ganz zurück.
Über Dürers Leben und Schaffen.
plant, kam aber über Skizzen und Entwürfe nicht hinaus. Km
wenigsten befriedigt wohl unter allen damaligen Krbeiten die Lucretia
der Pinakothek in München, die mit Benützung einer schon 1506 in
Venedig gezeichneten Studie fast lebensgroß ausgeführt wurde. Die
plastische Durchbildung des Körpers gleicht die ungünstige Wirkung
der Harke nicht aus, auch der Kusdruck des seelischen Schmerzes befriedigt
nicht?) Holzschnitt- und Stichtechnik bleiben dagegen auf ihrer vollen
höhe, und zu den beiden Holzschnittporträts des Kaisers tritt im
Jahre 1519 auch Dürers erstes Kupserstichporträt hinzu. Es ist das
des Kardinalerzbischofs Klbrecht von Mainz. Mit diesem Stück
wurde Dürer der eigentliche Begründer dieser Porträtgattung?) Die
Zeichnung dazu war im Jahre vorher gleichfalls auf dem Kugsburger
Reichstag entstanden, auch die Porträts des Kardinals Lang und
seines Kunstgenossen, des Malers Burgkmair, hat Dürer damals
gezeichnet.
Einen letzten und hochwichtigen Einschnitt in Dürers äußerem
Leben wie in seinem künstlerischen Schaffen bildet die niederländische
Reise, die er im Juli 1520 antrat. Ein ganzes Jahr blieb er der
Heimat fern. Ls galt die Bestätigung des Leibgedings von 100
Gulden von dem Nachfolger Maximilians zu erhalten. Kber auch,
als jener Zweck erreicht war, kehrte Dürer noch längere Zeit nicht
nach Nürnberg zurück. Nach dieser Unterbrechung tritt voll der große
Zug zutage, der früher öfter sich gezeigt hatte, aber nie ganz frei zum
Durchbruch gekommen war. Nun haben die einstigen Einwirkungen
des Südens im Zusammentreffen mit den neuen Eindrücken des nieder-
ländischen Lebens und der niederländischen Kunst endlich jede Hemmung
hinweggenommen. Dürer war fast ein Fünfziger, als er jene Reise
antrat, aber sein Tagebuch und seine vielen Zeichnungen bezeugen
uns volle Empfänglichkeit für neue Eindrücke, und die nach der Rückkehr
entstandenen Werke sind das Stolzeste, was die ältere deutsche Kunst
aufweisen kann. Diese Reise ist darum nicht bloß ein in Dürers
1) Eine Skizze des Britischen Museums vom Jahre 1520 zeigt die nackte
Büste eines schmerzvoll nach oben blickenden Weibes. Es liegt nahe diese Zeichnung
als eine nachträgliche Korrektur des Bildes zu nehmen. Wir finden dergleichen
öfter bei Dürer.
2) Die wenigen Stiche, die vorher entstanden, treten neben den Dürerschen
Krbeiten ganz zurück.