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Dürer, Albrecht
Albrecht Dürer in seinen Briefen — Leipzig, Berlin: Teubner, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.75394#0042
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32 Über Dürers Leben und Schaffen.
des Apelles und die Zeichnung zu einer Musikantengruppe. Es ist
dies der sogenannte Pfeiferstuhl. Diese Malereien sind noch vor-
handen- bis aus einen verschwindenden Rest dagegen ist untergegangen
der einst reizvolle Schmuck der Pfeiler der Fensterseite. Nur eine
Zeichnung gibt noch von dem dekorativen Geschick Zeugnis, mit der
Dürer auch dieser Aufgabe sich entledigte.
Sieben Lebensjahre waren ihm nach der Rückkehr aus den
Niederlanden noch vergönnt. Ein besonderes Gepräge erhielt diese
letzte Epoche durch die schriftstellerische Tätigkeit des Meisters, die
seine Zeit fast mehr in Rnspruch nahm als sein künstlerisches Schassen.
Die Zahl der in diesen Jahren ausgesührten Werke ist deshalb nicht
eben groß, aber es sind lauter Hauptwerke. Seinen stets regen Geist
beschäftigten indes daneben nach Rusweis der erhaltenen zahlreichen
Zeichnungen noch so manche Entwürfe, alles in großem und ein-
fachem Stil gedacht. Die Hauptschöpfung waren die weltberühmten
vier neutestamentlichen Gestalten des Paulus, Johannes, Petrus und
Markus, die der Meister 1526 auf das Rathaus seiner Vaterstadt
stiftete. Abgesehen von ihrem unvergleichlichen künstlerischen wert
sind diese Bilder wichtig als ein religionsgeschichtliches Denkmal. Sie
sind ein Niederschlag der damaligen religiösen Kampfeszeit. Als
Lehrer der Christenheit stellt Dürer Paulus und Johannes voran,
während Petrus, „der Apostelfürst" der katholischen Rirche, mit Markus
in den Hintergrund gerückt ist. Die Hauptrolle hat Dürer Paulus
zugewiesen, aus dessen Briefen damals die Evangelischen ihre Haupt-
waffen gegen das Papsttum entnahmen. In Übereinstimmung damit
charakterisiert ihn auch der Künstler als einen kampfbereiten, ge-
waltigen Streiter. So ins Heroische gewendet und doch nicht einem
über der Erde schwebenden Zwischenreich angehörig wie die Propheten
und Sibyllen Michelangelos, sind die vier Gestalten der echteste Ausdruck
dessen, was Dürer als höchstes Ziel der Kunst vorschwebte. Monumen-
taleres als den großartigen, einfachen Faltenwurf des weißen Mantels,
den Paulus trägt, finden wir in der deutschen Kunst nicht mehr.
Die Gewandung nimmt im höchsten Sinne teil an der Charakterisierung
der Persönlichkeit, und wie im Sinne der Schönsarbigkeit gehaltene
Farbe zu wirken imstande ist, kann man hier gleichfalls an einem
beredten Beispiel sehen, wie prägen sich der weiße Mantel des
Paulus und der rote des Johannes dem Gedächtnis ein!
 
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