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Adler, Friedrich
Mittelalterliche Backsteinbauwerke des Preußischen Staates (Band 1): Die Mark Brandenburg: 1. Die Stadt Brandenburg. 2. Die Altmark — Berlin, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.31747#0049
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39

^hatsache diejenige bleibt, dafs die ältesten Dorfkirchen in der
Umgegend von Jerichow in Backsteinbau hergestellt sind, dessen
urigmalform die Klosterkirche aufgestellt hatte. Alle diese Kir-
chen, von denen im Folgenden noch die Rede sein wird, sind
1111 Laufe des XII. spätestens im Anfang des XIII. Jahrhunderts,
hie gröfste derselben zu Schönhausen urkundlich 1212 erbaut
^orden. Auch mufs hervorgehoben werden, dafs dieser orga-
rusatorischen Bedeutung halber das Kloster Jerichow der ganzen
Ultiliegenden Gegend den Namen „Land Jerichow“ gegeben hat,
lrut welcher Bezeichnung dieses Gebiet in den Urkunden des

u. XVI. Jahrhunderts erscheint. Aber der Einflufs des stat.t-
hchen Klosterbaues von Jerichow läfst sich auch nach gröfsernEnt-
i ernungen hin zusammenhängend verfolgen, so nach dem Kloster
■^Lsdorf, welches höchst wahrscheinlich von einem Jerichower
■^önche 1157 —1161 erbaut wurde und jwieder das Vorbild für
®t. Maria in Salzwedel, Kloster Arendsee 1184, St. Maria in Gar-
delegen ca. 1185, St. Stephan in Tangermünde ca. 1186 etc. ge-
^ esen ist *).

Die ferneren Schicksale des Klosters sind aus dem oben an-
gcgebenen Grunde unbekannt, doch wird erwähnt, dafs Kaiser
LarllV. von seinem Residenzschlosse Tangermünde aus Jerichow
°L besucht und dasselbe reich beschenkt habe. Auch geht aus
üiagdeburgischen Ohroniken hervor, dafs 1354 Jerichow nebst
ar>dern Orten Sandow, Plate, Plaue u. s. w. vom Bisthum Ha-
vGberg getrennt und dem Erzstifte Magdeburg einverleibt wurde 2).
^■üs einer, das erzbischöfliche Kapitel zu Magdeburg betreffenden
^kunde v. J. 1430 erfahren wir, dafs die Verhandlungen zu Je-
lachow stattgefunden hätten in der Kapelle Mariae Magda-
^ eüae, die an dem Kreuzgange des Klosters gelegen
Sei 3)- In die späteren Fehden des Erzstifts blieb Jerichow stets
Verwickelt und wurde 1435 vom Rathe der Stadt Magdeburg

»gewonnen und zur Huldigung gedrungen.“ Die später von
Seiten des Bisthums Havelberg erhobenen Eigenthumsansprüche
auf den Besitz des Klosters liefs der energische Erzbischof Ernst
ünberücksichtigt und besetzte und reformirte dasselbe 1489 4).
Iin XVI. Jahrliundert wurde Jerichow, wahrscheinlich nach er-
folgter Einführung der Reformation und Aufhebung des Kon-
Vßnts als Pfandbesitz dem Ritter Hans von Krusemark überge-
ken und 1571 vom Domstifte wieder eingelöst 5). — In neuester
^Gt ist die Klosterkirche einer ziemlich eingehenden Restaura-
tr°n unterworfen worden, welche leider auf die im Ganzen so
Vrohl erhaltenen und höchst interessanten Klostergebäude admi-
uLtrativer Verhältnisse halber nicht ausgedehnt werden konnte.

Baubeschreibung. 6)

Die St. Maria und St.Nikolaus geweihte Klosterkirche, welche
ailt' Blatt XXI—XXIII in ihren Haupttheilen und wichtigsten De-
taits dargestellt ist, zeigt den Grundrifs einer dreischiffigen flach
§ edeckten Säulenbasilika mit weit ausladendem Querschiff, qua-
latischem Iiaupt-Chor nebst Absis, so wie mit zwei ebenfalls
at)sidenartig geschlossenen Neben-Chören. Unter Chor und Vie-
rüng erstreckt sich die zweischiffige, mit scharfgratigen Kreuz-
b e^ölben bedeckte Krypta, welche von der Nord-, West- und
j ödseite der Vierung her auf je zwei Treppen betreten werden
auu- Da die Krypta in das, hohen Wasserständen leicht aus-
§ esetzte Terrain nicht tief eingesenkt werden konnte, so tritt
leselbe (vergl. die Schnitte Bl. XXIII, Fig. 1 u. 3) 9 Fufs hocb
! U fLe Kirche hinein, so dafs der Chor nur auf ziemlich steilen,
lu der Mauerdicke der westlichen Vierungspfeiler belegenen Trep-
pen erstiegen werden kann. Auf der Westseite erhebt sich die
stattliche mit zwei viereckigen Thürmen geschmückte Vorder-
° ut> während der die Klostergebäude vei’bindende Kreuzgang

tale ^ U’ e UarleS lmS dieses architektonischen Einflusses wird unter dcn bezeichneten Lo-
n 1,11(1 Bauwerken gegeben werden.

^ A-Wernei’ ed. Ammersbach 1584. Chronik des Stifts Magdeburg S. 86 ff. und
Sgert in Förstemanns Mittheil. III. 4. 102 ff.

^ ßiedel, a. a. 0. II. S. 491.

A. Werner, Chronik a. a. 0. S. 117.

A. Werner, a. a. 0. S. 164.

) \ ergl. dCii citirten Aufsatz v. Quast i. D. Kunstbl. 1850, S. 233.

an der Südseite belegen ist und mittelst zweier Portale den Zu-
gang zu dem südlicheri Kreuz- wie Seiten-Schiffe vermittelt.

Im Wesentlichen verdankt die Klosterkirche ihre jetzige Ge-
■stalt dreien Bauzeiten, welche bald aufeinander gefolgt sind. Von
dem nach der Verlegung auf eine andere Stelle geführten, spä-
testens 1149 begonnenen und 1159 beendeten Bau rühren der
Kern des Gebäudes, nämlich das Langhaus mit Ausnahme der
westlichen Arkaden, ferner das Querschiff und das Chorquadrat
her, dagegen ist die Hauptabsis zur Zeit des Neubaues der Krypta
im Anfange des XIII. Jahrhunderts erneuert worden, zu welcher
Zeit auch die kleineren Xebenchöre dem Kirchenkörper hinzu-
gefügt wurden und wahrscheinlich an die Stelle einfacher Ne-
benabsiden traten.

Dafs die Nebenchöre und der Thurmbau ein späterer Zusatz
sind, ergiebt sich leicht aus der Beobachtung, dafs das mächtige,
aus Plötzker Sandstein hergestellte Fundament der Kirche, wel-
ches überall im Chore, Querschiff' und Langhause durchgeführt
ist, in jenen Bautheilen felilt, in Stelle dessen unmittelbar über
dem Erdboden Backsteinbau auftritt. Auch das verschiedene
Material der Plinthengesimse spricht für diese Annahme. Die
Plinthen an den Thürmen und Nebenchören sind in Backstein
(Bl. XXII, Fig. 2), die der übrigen Kirche in Sandstein herge-
stellt.

Etwas schwieriger ist der Nacliweis der Behauptung, dafs
die Krypta und die IJauptabsis gleichzeitig, aber später als der
erste Bau vom J. 1149 erbaut worden sind. Diese Annahme
stützt sich einerseits auf die deutlich erkennbare Thatsache, dafs
die Vierungspfeiler mit den daran stofsenden Kryptapfeilern, wel-
che die fiachen, nach den Kreuzflügeln sich öffnenden Rundbo-
gen stützen, nicht im Verbande stehen, sondern von unten herauf
selbstständig und isolirt in die IJöhe steigen. Die innerhalb der
Vierung belegenen Kryptapfeiler müssen demnach später hinzu-
gefügt sein. Da aber in der Krypta weder in Wand- noch Mit-
telsäulen verschiedene Bauformen erkannt werden können, so
ist die Annahme zulässig, dafs die jetzige Krypta irn Ganzen erst
später hinzugefügt worden ist. Ist dies aber der Fall gewesen,
so ist es nothwendig, die jetzige Hauptabsis als eine Erneuerung
aufzufassen, weil dieselbe nicht die geringste Spur veränderter
Oberfenster oder eingebrochener Kryptafenster ze'igt, sondern
vollkommen unberührt und wohlerhalten erscheint. Beides, das
Vorhandensein ursprünglich und völlig in Verband gemauerter
Kryptafenster, sowie die hohe Stellung der Oberfenster der Haupt-
absis begründen die Annahme, dafs die Absis auf altem Funda-
ment zur Zeit des Kryptabaues von Neuem erbaut worden ist.
Für diese Annahme sprechen überdies mehrfache Kunst- wie
Strukturformen. Vor allem die grofsen Oberfenster in der IJaupt-
absis, welche in sehr reifen und vorgeschrittenen Gliederformen
hergestellt sind 1). In den Ecken der abgestuften Schmiegen

') Sehr verwandt mit der Hauptabsis von Jerichow erscheint der entsprechende Bau-
theil des Klosters Dobrilug in der Lausitz, wovon Puttrich Band II, 2. einige, aber nicht
genügende Abbildungen geliefert liat. Die Fenster daselbst sind grofs, abgestuft, mit Eck-
säulchen ete. gegliedert ganz wie zu Jerichow und schwerlich früher. Wegen der schwer
profilirten Rippengcwölbc dei Hauptabsis zu Dobrilug kann dieser Bautheil nicht anders
als frühestens 1210 20 erbaut sein und dieses Datum stimmt auch mit der für Krypta

und Hauptabsis zu Jerichow angenommenen Bauzeit von 1200— 10 überein.
 
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