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von den übliclien Ablässen der Kirclie ohne die besondere
Gunst und Fürsorge geistliclier oder weltlicher Fürsten ent-
standen, denn es waren ernste Zeiten, als man sie begann,
um so höher sind aber das kraftvolle Selbstbewufstsein und
die Opferfreudiglceit der Bürgerschaft zu schätzen, welclie
dieses grofsartige Werk so ruhmvoll vollendet haben.

Einen ähnlichen Ruhmestitel erwarb sich gleichzeitig die
Stadt Frankfurt dureh den Bau ihrer Marienkirclie — der
gröfsten in der Mark — insbesondere mit dem Aufbau der
zweithürmigen Westfront. Denn diese Facade ist trotz der
unverkennbaren prosaischen Nüchternheit ein tüclitiges, durch
wuchtige Ivraft und Strenge hervorragendes Werk und ein
würdiges Gegenstück zu der Ostfront von Prenzlau. Aucli sie
athmet das stolze Selbstgefühl einer nahezu unabliängigen
Bürgerschaft, deren ZäJiigkeit und Thatkraft bei zweimaliger
Belagerung. sicli glänzend erprobte. Wegen jener kriegerischen
Zeitläufte ist die Front selir langsam gefördert worden, die
Jahre 1310 —1330 und 1350 —1380 kann man als Haupt-
pliasen bezeichnen.

In der Neumark vertreten die Marienkirclien zu Arns-
walde und Woldenberg, deren Verwandtschaft schon die ähn-
liclren Grundrisse bekunden, die erste Hälfte des XIV. Jahr-
liunderts in würdiger Weise und ihnen darf man die Johan-
niter-Kirche in Zielenzig, sowie die Pfarrkirche in Schönfliefs
(nach dem Umbau) anschliefsen. Die Bevorzugung des Stern-
gewölbes ist für diesen Landestheil und von dieser Zeit ab
charakteristisch. Zweifellos ist darin ein Einflufs der Baukunst
des Deutschen Bitterordens zu sehen.

Neben den zahlreichen noch erlialtenen städtischen
Ivapellen, mit denen Hospitäler oder Armenhäuser verbunden
wären, also den Georgs-, Gertruds- und Heiligen Geist-
Kapellen, sind wegen des besonderen Kunstwerthes, der an
ihnen haftet, nocli zwei etwas gröfsere Schöpfungen dieser
Epoche hervorzuheben. Erstlich der durch seine Lichtfülle
und reiche Wandgliederung ausgezeichnete Polygondior der
Franziskanerkirche zu Berlin (1340 —1345), und zweitens die
durch edle Verhältnisse und gute Profilirung anziehende
Johanniter-Ordenskirche von Quartschen um 1350.

Auch die zweite Hälfte des XIV. Jahrhunderts ist niclit
arm gewesen an selbständigen und durch das Talent ihrer Ur-
heber hoclibedeutsamen Werken. An ihrer Spitze stelit der
Neubau der Pfarrkirclie St. Katharina zu Brandenburg von
1381 —1401 —1410, welchen der Rath der alten Landeshaupt-
stadt ebenfalls in schweren drangsalvollen Zeiten unternommen
hat, um hinter Prenzlau und Frankfurt nicht zurückzubleiben.
In der Grundfläche beträchtlich kleiner wie Frankfurt, aber
gröfser wie Prenzlau, läfst schon ihr Grundplan deutlich er-
kennen, dafs der Baumeister Heinrich Brunsberg die Prenz-
lauer Kirche sorgfältig studirt liat, ehe er sein Werk begann.
Indem er die Strebepfeiler nach innen verlegte und unten
praktisclie Kapellen, oben breite Laufgänge gewann, gliederte
er aufsen die Stirnseiten der flachen Strebepfeiler in drei
Zonen mit Heiligenfiguren in Flachnischen, die mit Flülfe von
Ziergiebeln, Friesen und Gesimsen aus glasirten Steinen
schmuekvoll ausgestaltet wurden. Aucli liatte er nach dem
Muster von Prenzlau eine ähnlich prachtvolle Dachgallerie ge-
plant, doch kam diese nicht zur Ausführung. Aber die ange-
baute Frohnleichnamskapelle wurde unten wie oben mit sechs-
eckigen Strebepfeilern besetzt und durch eine Fiille von zierlich
durchbrochenen Rosen unter Ziergiebeln fast überreich ge-
sclnnückt, Diese eigenartige Schöpfung fand Nachfolge.

Noch wälirend des Baues begann man an einer weit ent-
fernten Stelle eine mit grofsen Mitteln und in gleicher Tech-
nik unternommene Wiederholung. Es war die Marienkirche
in Königsberg i. N., welclie in dem östlichen Haupttheile von
1389 —1407 so Aveit zu Stande kam, dafs man sie weihen
konnte. Trotz der klaren Planbildung und der edlen Verhält-

nisse des Inneren kann man nicht annelimen, dafs derselbe
Meister hier thätig gewesen ist wie dort. Es fehlt die Sicher-
heit in der Vertheilung und Gliederung der Massen, die
St. Katharina auszeichnet, und die mit Glasurziegeln durclige-
führte Detailbildung besonders des Aeufseren zeigt eine sehr
viel derbere Behandlung wie dort, An eine Wiederholung
oder Umformung der Brandenburger Prachtgiebel hat man
sicli überhaupt nicht gewagt; gleichwohl geliört der Bau zu
den liervorragendsten Werken der Mark und ist mit Recht
der Stolz der Stadt.

Im starken Gegensatze zu diesen Luxusbauten erhob sich
bald nacli dcm Eintritte dcr Hohenzollemherrschaft der Neu-
bau des Domes zu Stendal von 1423 —1450. Das ist eine
durcli keusche Strenge und zielbewufstes Mafshalten bei
grofsem Schönheitssinn ausgezeichnete Schöpfung, deren Meister
leider bisher unbekannt geblieben ist. Die stark betonte
Kreuzform des Grundrisses stammt von dem Dome St. Bar-
tholomäus zu Frankfurt a, M., während die Raumgestaltung
des Langhauses mit der des Domes zu Magdeburg zusammen-
hängt. Der liolxe Kunstwerth dcr völlig prunklosen aber
ernst und weihevoll gestimmten Kirclie liat vielfaehe An-
erkennung und Nachfolge gefunden, zunächst in der Stadt
selbst durch St. Maria (1438), dann in Salzwedel durcli den
Umbau beider Pfarrkirchen, ferner in Werben durch St. Jo-
hannes (Chor 1440—-1408), in Brandenburg durch St. Gode-
hard (vor 1450) und endlich durcli die grofse Wallfahrts-
kirche zu Wilsnack (1447 —1505), welche fast gleichzeitig
begonnen aber langsam gefördert wurde und unvollendet
blieb. Gleichzeitig nahm auch der Profanbau, insbesondere
die Befestigungsbaukunst unter der Führung des Dombau-
meisters von Stendal einen grofsartigen Aufschwung in dem
Um- wie Neubau reich gestalteter und künstlerisch durcli-
gebildeter Thore. An ilirer Spitze stelien das Uenglinger Tlior
in Stendal und das Neustädter Thor in Tangermünde
(1430 —1440) sowie der strenge Steinthorthurm in der
Neustadt Brandenburg. Andere Städte der Mark folgen in
dieser neuen Bahn, wie Königsberg mit zwei Thoren (1450),
Werben mit seinem wuehtigen Elbthore (1460), Prenzlau mit
seinem Mittelthore (1470), Templin, Schönfliefs, Friedeberg u. A.
Und zu den Thorbauten gesellt sich der Neubau der Rath-
häuser. Die beiden schönsten, Königsberg und Tangermünde
(1420 —1440 mid 1460 —1470), stehen mit ihren grofsartigen
Prachtfagaden unter dem Banne der Frohnleichnamskapelle von
St. Katharina in Brandenburg, während andere weniger prunk-
voll gestaltet sind, Avie die beiden Rathhäuser zu Brandenburg
und das zu Frankfurt und nocli wieder andere alle Stufen
schlichter und sparsamer Sinnesweise bei fortschreitender Stil-
änderung veranschaulichen, wie die Rathhäuser zu Salzwedel,
Stendal, Jüterbock, Fürstenwalde u. A.

In dieser Epoche ist auch das Hohenzollernliaus durch
den thatkräftigen Kurfürsten Friedrich II. mit zwei bedeut-
samen Bauwerken hervorgetreten. Es waren dies die streng-
schöne, nur noch als Ruine vorliandene Dominikaner-Kirche
zu Tangermünde (1438) und wenige Jalire darauf die eigen-
artige Schwanenordenskapelle an der Harlunger Bergkirclie
(1440), welclie leider 1722-in pietätloser Weise aus Habsucht
zerstört worden ist.

In der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts tritt sehr all-
mälich aber doch wahrnehmbar ein Nachlassen ein, nicht so-
wohl in der Zalil wie in dem Werthe der Neubauten. Man
sieht das im Grofsen wie im Kleinen: der Dom zu Fürsten-
walde 1446 —1460 ist ein grofses Beispiel, der Chor der
Nikolaikirche in Berlin ein mittelgrofses und die vielen Bruder-
scliafts- und Gildenkapellen an den Pfarrkirchen liefern massen-
liaft die kleinen Beispiele. Einige derselben sind sehmuckvoll
durchgebildet und helfen die Mutterkirche verschönern, aber
die meisten sind nur Handwerksleistungen, welche das sinkende

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