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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 2
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Keppler, Eugen: Der Hirsauer Bilderfries, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15907#0023
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war als Ortsgefängnis unentbehrlich
(Klaiber, Hirsau S. 78), sonst wäre auch
er der Plünderungssucht der Calwer und
der Sparsamkeit jenes Kameralverwalters
zum Opfer gefallen, der — es ist noch
nicht zu lange her, es war bei Anlegung
der Straße nach Wildbad, seine Bau-
unternehmer auf die zerstörte Klosterkirche
hinwies mit den Worten: „Hier ist euer
Steinbruch!" Die drei freien Seiten dieses
bekanntlich quadratischen Thurmes — die
vierte (östliche) war durch das anstoßende
Dach des Seitenschiffes maskirt — um-
zieht der durchschnittlich 1 m hohe primi-
tive Bilderfries: also jederseits (als Ab-
schluß des zweiten Stockwerks) eine Reihe
rohester Relieffiguren, an beiden Enden
durch ruhende Löwen so abgeschlossen, daß
je zwei Löwenköpfe von Huben und drüben
zusammentreffen und die Ecke bilden. Bon
dieser Eckverzierung ist auch auf der Ost-
seite noch ein Ansatz sichtbar, dagegen die
Weiterführung des Frieses als gegenstands-
los unterlassen worden. Sphynxartig auf
ihre ansgestreckten Füße hingelagert, von
denen nur die zwei dem Beschauer zuge-
kehrten zum Vorschein kommen, mit fast
quadratischen Köpfen, welche die Höhe des
Frieses markiren, mit furchtbar gefletschten
Zähnen, die Ohren das einemal gesträubt,
das anderemal eingezogen, den zungen-
förmig anslanfenden Schweis als dünnes
Band zwischen den Hinterbeinen hindurch-
gelegt: so sehen diese Thiergestalten so zu
sagen wie das Urbild des romanischen
Löwentypus aus.

Die Mitte jeder bildergeschmückten Seite
zeigt den roh gemeißelten stämmigen Mönch
als Träger der Lisene, welche die Wand
des dritten Stockwerks in zwei Hälften
gliedert. Der Oberleib ragt über die Breite
des Frieses herauf. Die Tracht ist die Tu-
nica, das lange Kleidungsstück mit Aermeln
ohne Kapuze. Ursprünglich weiß, wurde
dasselbe aus bloßem Leibe getragen; als
später wollene und dickleinene Hemden ge-
stattet wurden, kam die schwarze Farbe
dafür in Gebrauch. Zusammengehalten
ward das Gewand durch einen schmalen
Gürtel, gewöhnlich aus Leder. Auch kann
nur ein Ledergürtel den hart geschlungenen
Knoten bilden, wie es das vorliegende
Bildwerk und demgemäß Ihre Abbildung
zeigt. Ein Skapulier ist dagegen nicht

vorhanden. Man verstand darunter zwei
Stücke Zeug, welche eines vorn, das andere
hinten der ganzen Länge der Tuuica nach
herabhingen. Zwar zeigt das Gewand
einige Striche über der Brust, die Sie
genau nachgebildet haben, allein sie reichen
nicht weiter als bis an den Gürtel und
können nur Falten vorstellen. (Diese und
andere diesbezügliche Angaben finden Sie
bei Montalembert, „Die Mönche desAbend-
landes", deutsche Uebers. II. Bd. S. 64 f.)
Wie die Tracht jedesmal genau die gleiche
ist, so sind es auch die Köpfe mit deu
harten Gesichtszügen und den spitzen
Bärten. Nur ein kleiner Unterschied, der
auf Ihrer Zeichnung nicht zum Ausdruck
kommt, mag erwähnt werden, nicht als ob
etwas davon abhinge, sondern damit kein
anderer sich je rühme, ans diesem von
uns beiden durchsuchten Feld etwas Neues
entdeckt zu haben: daß nämlich einer der
Köpfe ganz kahl ist (nur um die Ohren
ringelt sich eine Locke) während die beiden
andern deutliche Spuren des Tonsurkranzes
erkennen lassen. Weitaus bedeutsamer ist
die Verschiedenheit in der halb stehenden,
halb rückwärts angelehnten Haltung der
drei Mönche. Der auf der Nordseite hält
sich unbeweglich unter seiner Last, die
Hände oberhalb des Knies aufgestützt; der
andere (Westseite) legt nur seine Linke aus
dem Oberschenkel aus, während er mit der
Rechten, wie um die Schwüle anzudenten,
nach der Stirne (nicht nach den Augen!)
greift. Am merkwürdigsten ist aber die
Südseite, wo der Mönch augenscheinlich
mit äußerster Krastanstrengung sich auf-
raffend (weshalb auch hier die Füße fast
bis an das Knie unter der Kutte hervor-
sehen) mit beiden krampfhaft erhobenen
Armen die Last trägt und sie sogar noch
ein Stück ü b e r das vor Ueberanstrengung
zur Seite gebeugte Haupt hält. Es ist
also, soviel kann jetzt schon gesagt werden,
dem alten Steinmetzen daran gelegen ge-
wesen und in seiner Weise auch'gelungen,
das kerter et obdura in steigender
Progression darzustellen. Jetzt noch die
Felder zur Rechten und Linken der Mönchs-
gestalt, also zwischen Mönch und Löwe —
und der Fries ist fertig.

Es sind ihrer im Ganzen sechs; in vier
derselben ans der Süd- und Westseite je
einer der Böcke, die Ihre Zeichnung aus
 
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