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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 8.1890

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Nr. 12
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Detzel, Heinrich: St. Georg, [2]: in Legende und bildender Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.15907#0130

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— 115

worden, ergibt sich aus dem hohen Alter
morgenländischer Mythen und aus dem
biblischen Gebrauche des Wortes für
Satan."

Diese nur symbolische Bedeutung nun
hatte auch die Darstellung des hl. Georg,
ähnlich wie die Legende anderer Heiligen
aus der ältesten christlichen Zeit. Diese Be-
deutung der Drachenbilder ist dann aber im
Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen,
und was ist natürlicher, als daß die Miß-
verständnisse, die jetzt eingetreten, die ver-
schiedenartigsten Erzählungen hervorgerufen
haben. Und so ist auch bei unserem Heiligen
die Geschichte mit dem Drachenkampfe und
der Königstochter entstanden. Die ältesten
Legenden, die wir oben angeführt haben,
enthalten noch nichts von diesem Kampfe,
sondern ihren Inhalt bilden einzig und allein
die Größe und Schwere des Martyriums
des Heiligen und die damit verbundenen
Wunder, und um dieses Martyrium recht
eindringlich zu schildern, werden Zeit und
Zahl der Leiden ins Maßlose übertrieben.
Im Kerne aller dieser Peinen und Wunder
aber birgt sich für jeden, der nicht vorein-
genommen an die Geschichte eines Heiligen
geht, die Erinnerung an einen erhabenen
Helden der letzten großen Christenverfolgung,
die Erinnerung an eine historische Persön-
lichkeit. Erst viele Jahrhunderte später,
nachdem sich der Kultus des Heiligen aus-
gebreitet, taucht die erste Erwähnung jenes
Drachenkampfes und der Befreiung der
königlichen Jungfrau durch den Ritter auf.
Nach Papebroch2) fände sich die älteste
schriftliche Erwähnung dieses Drachenkampfes
in einem Papiercodex der Ambrosianischen
Bibliothek, in welchem die Legende des Hei-
ligen, wahrscheinlich in einem Kloster der
Basilianer verfaßt, enthalten sei. Vor dem
Jahre 1000 war in Europa nichts davon
bekannt, bereits im 14. Jahrhundert aber
war die Legende so allgemein verbreitet, daß
sie jetzt in allen Lebensbeschreibungen des
Heiligen als der Hauptbestandtheil angesehen
wurde. In Poesie und Legende, und wie
wir sehen werden, auch in der christlichen
Kunst finden wir jetzt nicht mehr St. Georg
den Märtyrer, sondern St. Georg den
edlen Ritter, und es wurde diese Legende
besonders in jenen Ländern ein beliebter
Gegenstand auch der dichterischen Bearbeitung,
wo der Heilige als Ideal und Schutzpatron
des frommen ritterlichen Kämpfers, omnium
equitum patronus, verehrt war. Besonders
bekannt ist die aus der Mitte des 13. Jahr-

*) Christi. Kunstsymbolik S. 41.
2) Act. S. 8. 104.

Hunderts herrührende poetische Bearbeitung
der St. Georgslegende des Reinbot von
Dorn. Genauere Bestimmungen verweisen
das Werk in die Zeit von 1231 bis 1253.
Das Gedicht ist nach einem altfranzösischen
Original, wahrscheinlich des 12. Jahrhun-
derts, bearbeitet. Diese poetische Bearbeitung
hat die meiste Aehnlichkeit mit den ältesten
lateinischen und griechischen Legenden, geht
jedoch auf ciue andere unbekannte, veränderte
und mit Zusätzen vermehrte Quelle zurück.
Daher mag es auch kommeu, daß bei Rein-
bot von Dorn alles in die Vorstellungsart
und das Kostüm des Mittelalters umgebil-
det ist. St. Georg ist ein vollständiger
Ritter und Markgraf von Palästina, mit
seinen Brüdern kämpfte er gegen die Heiden
und eroberte Kappodozien. Die Heiden sind,
wie zur Zeit der Kreitzzüge, Saracenen und
wohnen in Griechenland; nur werden die
alten griechischen Heiden mit den später
eingedrungenen Saracenen, Türken und
Arabern verwechselt, und den vermeintlichen
Götzen derselben, Machmet und Terviant,
werden die alten Götter Jupiter, Apollo
u. a. beigesellt. Dacian und seine Unter-
thanen werden hier ganz wie die Saracenen
geschildert. Die Marter und Wunder des
Heiligen sind der Hauptgegenstand, und
seine und seiner Brüder tapfere Kämpfe sind
nur episodisch uachgeholt. Selbst jene sind
meist nur kurz erzählt, bis auf einige der
Wunder, die sehr herrlich unb glänzend aus-
geführt sind. Die Gebete und Gespräche
zwischen den Märtyrern und den Heiden,
und die gegenseitigen Versuche zur Bekeh-
rung sind eigentlich die Hauptsache und gehen
meist in förmliche Reden über, oft werden
es höchst liebliche und zarte, oft kühne ly-
rische Ergießungen und religiöse Hymnen.
Reinbot schildert auch einige Wunder und
Martern des hl. Georg, die man in den
älteren Legendenquellen nicht findet; so z. B.
das Wunder von den blühenden Stühlen.'
Dacian fordert nämlich den Heiligen auf,
er möge zum Beweise seiner Wunderkraft
14 Stühle, die in der Halle standeil, dahin
bringen, daß sie Wurzeln schlagen und Laub
treiben. Georg wendet sich im Gebete an Gott

Als he bin rede voln sprach,

Die stulu man grünen sah,

Recht in derselben acht,

Als en von arte was geflacht,

Mit laube und von blute clar,

Als sie laden je jar.

Auf das Gebet des Heiligen wurden die
blühenden Bäume wieder zu Stühleir und
der Köllig von Mayndan, durch dieses
Wunder erschüttert, glaubt an Christum uild
läßt sich taufen.
 
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