Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 12.1894

DOI Heft:
Nr. 2
DOI Artikel:
Keppler, Eugen: Der Tabernakel zu Weilderstadt, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15911#0016

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
11

schauers auf ihn Eindruck macht und ihn
zu immer tieferem Eindringen anregt! Zu
einer solchen reiht sich hier in der That
Alt- und Neutestamentlicheö, durch die tref-
fendsten Inschriften verbunden, an einander:
gerade wie sich die reichgeschmückten Pfeiler
und Säulen, voit den ruhig durchgehenden
wagrechten Linien kräftig zusammengehalten,
zum wohlgegliederten Bau vereinigen, der
dieser Familie künstlerischer und religiöser
Ideen Unterkommen gewährt.

Zn diesem lebensvollen Zusammenwachsen
trägt das vielgestaltige, die stärkeren Glie-
der nmrankende Zierwerk ein Bedeutendes
bei. Der reichen Formensprache der ent-
wickelten Renaissance entnimmt es seine
Motive: ideal Vegetabilisches durch alle
Stufen vom beinahe Wirklichen bis zur
traumhaft spielenden Verflüchtigung; da-
neben Blech- und Pappornament, wenigstens
in einzelnen Ansätzen, mit Trophäen und
verschiedenartigen Bändern. Neben und
zwischen das leichte Phantasieornament tritt
ein stärkeres,' plastisches in Gestalt von
Frnchtschnüren, Fratzen, Thierköpfen, nebst
nackten Engelsknaben und Hermen in
höherem Relief und allerhand Köpfen in
Freiskulptur. An der Art, wie der Meister
diese Motive seiner Zeit selbständig durch-
bildet und mit Geschmack komponirt, läßt
sich sogleich der bedeutende Künstler er- !
kennen, wenn sich auch schon hie und da ;
die Freude am Ungewöhnlichen, am leb-
haft Bewegten, die Ruhe und Gesetz ver-
schmäht, geltend macht. Schon ganz ba-
rok ist die (übrigens nur wenig unter-
schnittene) pflanzliche Ueberwuchernng der
beiden Tabernakelpilaster mit je einem
Engelskopf in der Mitte, der einen Blu-
mentopf trägt, ans dem eine Sonnen-
blume aufschießt. Die farbige Fassung
dieser Ornamentik, von der noch ein matt-
rother Ton übrig, ist hingegen nicht barok.
Die beste Renaissance pflegte, wie auch
die alte Kunst, der natürlich kräftigen
Plastik durchweg die Farbe (namentlich
in gebrochenen Tönen) hinznzusügen, um
das Material vollends zum Diener des
idealen Zweckes zu machen. Volle Farben
sogar sehen wir am vorliegenden Kunst-
werk und zwar mit bestem Erfolg, abge-
sehen von den in schwarz, roth und gold
gefaßten Familienwappen, an dem histo-
rischen Wachholderbanm angewandt, dessen

Laub noch heute im saftigsten Grün er-
glänzt, woraus die Beeren schwarz her-
vorlngen. — Das Tenfelchen unter dem
Sitze des Judas hebt sich von dem sonst
glänzend weißen Sandsteinbildwerk mohren-
hast ab. — Neben der etwas wilden Blu-
mistik, von der wir gesprochen, finden wir
dann wieder die elegantesten Bildungen
der Renaissance: so die vielen Köpfe,
meist von klassischer Schönheit, die in wirk-
samster Weise theils die Gesimse stützen,
thcils frei schwebende Konsolen bilden; so vor
allem die zarten Frnchtschnüre und Qna-
stenbehänge an den Säulenstämmen, die
von feinfühligster Hand gebunden und an-
geordnet erscheinen. Dank der weisen
künstlerischen Absicht und Berechnung, die
überall hervorscheint, ist der Gesammtein-
drnck trotz der sorgfältigsten Ausführung
im Detail kein naturalistischer, sondern
ein stilistischer. An einigen Stücken tritt
diese Art besonders zu Tag, z. B. an der
Wolke, die Blitze zuckt und Manna reg-
net; mehr noch an dem Wachholderbanm,
der keineswegs — wie wäre das in Stellt
denkbar! — die Natur ängstlich nachbildet,
vielmehr wie nach einem Schema behandelt
anssieht, aber nach einem Schema, das
vorzüglich geeignet ist, den von dem Künst-
ler beabsichtigten Eindruck auf den Be-
schauer zu machen. „Hier enthüllt sich
uns (so nrtheilt einmal ein Kenner
über einen ähnlichen Gegenstand) das Ge-
heimnis des Stils, der als ein Produkt
der Bedingungen angesehen werden kann,
welche das Material, die Zeit und in der
Renaissance auch die Persönlichkeit des
Künstlers dem Kunstschaffen auferlegt. Es
ist eben die nicht wohl erklärliche Weise
des Stils, die solchen Zauber bewirkt,
indem sie statt des zufälligen den allge-
meinen Charakter darstellt." — Uebrigens
beschränkt sich das Lob geschmackvoller
Anordnung keineswegs ans das Zierwerk
der Sänlenschafte; es ist zu sagen, daß
überhaupt das ornamentale Beiwerk wirk-
sam die tragenden Glieder umkleidet, die
Piedestale belebt, die überhängenden Hohl-
kehlen , die Umrahmung der mittleren
großen Niscbe u. s. w. umspinnt und so
wirklich seiner Aufgabe dient, das Einzelne
zu verknüpfen und zu einem Kunstwerke
zu vereinigen. Bei dem kraftvoll durch-
gehenden Gerüst, welches das Ganze glie-
 
Annotationen