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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 12.1894

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Nr. 6
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Die Bemalung unserer Kirchen, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15911#0057

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51

liche Polychromirung eines Baues nie
größere eintönige oder einfarbige Flächen
geduldet hätte, was erst noch zu beweisen
wäre, so stände ihrem Beispiel das der
antiken Kunst, der Aegypter, Griechen,
Römer entgegen, welche durchaus vou einem
Gesetz dieser Art nichts wissen. Nur eine
U e b e r s ch ä tz u n g der Bedeutung des
Ornaments uub eine Unterschätz-
u u g der Kraft und Bedeutung
der Farbe selbst kann ein solches Ge-
setz aufstelleu oder für absolut bindend er-
klären. Daß wirklich die Farbe unter-
schätzt wird, zeigt sich doch deutlich genug
darin, daß Kuhn eine mit einem Farben-
ton, nur nicht mit Ornament ansgelegte
Wandfläche ohne weiteres eine „nackte
kahle Fläche" nennt. Ist denn diese Fläche
nackt? sie ist ja mit Farbe bekleidet. Ist
denn die Farbe kahl, öd, langweilig? gibt
sie dem Auge keinen Rnhepnnkt? ist denn
eine baumlose Ebene nothwendig öd und
langweilig? beleben die Bäume allein eine
Landschaft? ist eine grüne Wiesenfläche öd
und leblos? gibt sie dem Aug keinen Rnhe-
pnnkt?

Hier waltet überall das große Miß-
verständniß, als ob die Farbe für sich
nichts wäre und erst etwas würde durch
das Ornament. Nur ein krankhaft afsi-
eirtes Auge kann eine monotone Farben-
släche als Unterbrechung eines Bemalnngs-
werkes einpfinden; nur ihm kann eine
Farbenfläche wie eitel Luft und ein über
ihr ansetzendes Ornament wie in die Luft
oder ins Leere gesetzt erscheinen. In dieser
grnndirrtümlichen, krankhaften Anschauung
sind aber nicht wenige Dekorationsmaler
befangen; sie können sich schlechterdings
keine Farbe denken oder keiner Farbe eine
Bedeutung znerkennen, welche nicht ge-
tragen ist durch ein Ornament. Als ob
das Ornament erst der Farbe Kraft und
Wirkung zu geben hätte! Dieser Jrrthnm
hängt damit zusammen, daß wir über-
haupt geneigt sind, ans das Ornament zu-
viel zu halten und ihm zuviel Recht ein-
zuränmen, nicht nur in der Malerei, auch
in der Architektur und der konstruktiven
Skulptur. Die Ueberschätzung des Or-
naments ist immer Folge und Symptom
eines geschwächten Knnstvermögens, das
nicht mehr eigentlich ju schaffen, schöpfe-
risch thätig zu sein vermag, sondern mit

der Kunst spielt und daher dem Orna-
mentenspiel sich hingibt. Die architekto-
nische Polychromirung der Aegypter unb
Griechen arbeitet mit einer minimalen Bei-
gabe von Ornament, löst ihre Aufgabe im
Wesentlichen lediglich durch Anordnung von
Farbenmächten und Farbenzonen neben und
über einander; sehen darum diese Bauten
etwa nackt und kahl, öd und langweilig
ans? Im Gegenteil — diese Polychro-
mirnng erzielt Harmonieen und Wirkungen,
welche die unserer ornamentirten Malerei
weit hinter sich lassen.

Das ist ganz richtig, jedes monumen-
tale Bemalungswerk ist selbst eine Art
Konstruktion, ein Farbenban, der ohne
Lücken und Unterbrechungen, folgerichtig
ans der Tiefe in die Höhe geführt wer-
den muß. Aber unrichtig ist, daß bloß
ornamentale Motive Träger und Glieder
dieses Baues sein können und jede über
eine Fläche sich hinbreitende Lokalfarbe für
diesen Ban bedeutungslos oder eine störende
Unterbrechung sei. Ein Sockel ohne Or-
nament, bloß Einer wuchtigen Farbe als
Region angewiesen, wird seine Funktion,
den ganzen Farbenban zu tragen, viel
besser erfüllen, als ein von vieleil Orna-
lnenten dnrchsponnener, und auch in den
oberen Reihen wird ein zwischen die Or-
namente eingelegter einfarbiger Ton dem
Ang viel bessere Rnhepnnkte gewähren, als
wenn Ornament sich an Ornament drängt.
Auch wo das Geld gar nicht in Betracht
käme, noch die Haltbarkeit irgend welchen
Zweifeln anSgesetzt wäre, müßte man sich
entschieden gegen solche Ornamentenver-
schwendnng auösprechen, eben weil sie dem
Ang keinen Rnhepnnkt mehr gewährt,
weil sie durch ihr Spiel mit Farben und
Formen dem Ernst und der Würde des hei-
ligen Raumes zu nahe tritt, seine Wände
zu wirklichen Spielplätzen macht, Alldacht
llild SammtlUlg stört, anstatt zil erbauen
vielmehr verwirrt und zerstreut.

Bor llicht langer Zeit wurde für eine
Kirche von größeren Dimensionen von einem
iil seinem Fach sehr tüchtigen Meister ein
Bemalnngsplan entworfen, der zwar für
etwaige spätere figürliche Malereien einige
wenige Felder vorbehielt, im Ganzen aber
rein ornamental allgelegt war. Auf diesem
Plan folgte mnt auch, angefangen von den
Teppichen an den Sockelpartieeil, ein Or-
 
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