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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 12.1894

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Nr. 7
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Gothischer Kelch
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https://doi.org/10.11588/diglit.15911#0066

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60

greifenden Platte, welche den Kreislinien
der sechs Blätter folgt und rings mit einer
Inschrift besetzt ist. Je zwischen zwei
Blättern des Sechspasses sitzt ein kräftig
geschwungenes dreiflügeliges Land, das ans
den unteren Rand ausläuft. Abweichend
von der gewöhnlichen Regel ist aber der
zum Schaft ansteigende Theil des Fußes
nicht nach den sechs Blättern gegliedert,
sondern er hat eine Sechstheilnng, deren
Scheidnngs- oder Gratlinien je ans die
Mitte dieser Blätter zuläufen; die so ent-
stehenden Flächen sind mit einfachstem Maß-
werk umsäumt und ausgefüllt mit sehr-
sorgfältig ciselirten Figuren. Christus am
Kreuz mit Maria und Johannes nimmt
drei Felder ein, das vierte St. Sebastian
in reichem, pelzverbrämtem Mantel, zwei
Pfeile in der Hand haltend, das fünfte
St. Augustin, ein durchbohrtes Herz ans
dem Buch tragend, zu seinen Füßen
ein kleines Kindchen mit Löffel, das
sechste St. Christvphorus, von der Last
des Kindleins stark allsgebeugt, mit knor-
rigem Baumstamm in der Hand. Ein Ge-
simschen mit Stab, Hohlkehle und Platte
schließt den Fuß nach oben ab. Cs folgt
der vom Nodns durchsetzte Schaft, eben-
falls sechstheilig. Von jenem Gesims aber
steigen an den sechs Ecken zierliche Halb-
sänlchen auf, welche ans ziemlich hoher
Basis ruhen, durch den Nodns durchlau-
fen und über demselben wieder zum Vor-
schein kommen. Sie dienen nicht nur dazu,
den Schaft wirksam zu gliedern und zu
beleben, sondern sie fungiren and; als
Träger des Maßwerkornaments, welches
den unteren Theil der Kuppa umspinnt.
Reich ausgestaltet ist der Knaufs, zwischen
dessen sechs mit schlichtem Maßwerk orna-
meutirten Flügeln sechs Bossen vorspriugeu,
welche an ihrer Stirnfläche mit sehr hüb-
schen Röschen mit doppeltem Blattkranz
geschmückt sind; er hat bei aller Zierlich-
keit keine scharfe Ecken, welche die Hand-
habung erschweren würden. Die mäßig ge-
schweifte Kuppa ist durch das mehr vege-
tabilisch als architektonisch geformte Maß-
werk mit den hübscheil Kreuzblumen kräftig
dekorirt. Alles in allem genommen wird mau
füglich sagen können: es gibt wenige alte
Kelche, welche ein solches Ebenmaß zeigen,
Schönheit und Handlichkeit mit edler Ein-
fachheit und Maßhaltnng so glücklich ver-

bindeil und für unveränderte Nachahmung
und Nachbildung sich so sehr empfehlen
würden, wie dieser.

Die zum Kelche gehörige Patene ist,
wie dies llicht gerade selteil vorkommt,
auch mit figürlichem Schmuck versehen.
In das innere Rund derselben ist ein
Abeudmahlsbild einciselirt. Die bedenteild
mangelhaftere Ausführung der Figuren,
namentlich der Gesichter, die ganz andere
Behandlung der Gewänder lind einige Or-
namenle am Stnhlwerk führen aber zu
dcnl Schlüsse, daß dieser figürliche Schmuck
llicht aus der gleicheil Zeit und nicht von
derselben Hand stammt, wie die Figuren
am Fuß, sondern bereits der Renaissance
allgehören.

Ein historisches Interesse verleihen die-
sem Kelche die zwei Distichen, welche den
äußeren Rand des Fußes umziehen. Sie
lauten:

SIC CALICEM FRES (Fratres) PR (Pa-
tres) AVGVST1NI FIDELES.
CEV BONA FORMICAE CARPERE
CR ANA- SOLENT
SED MODO CONGESTV TENET
ALMA TVBINGAQ FACTVM.
MVLTA STIPE DEDIT QVEM BA-
SILEA PROBA

Der Sinn der Inschrift ist klar; einige
Schwierigkeit bietet nur das dritte Wort
der ersten Zeile, lvelcheö vielleicht ailch
ferens zu lesen ist, da bei Fratres der
Abkürzungsstrich eigentlich über den beideil
ersten Buchstaben stehen solle >l»d da die
Nennung der fratres vor den patres auf-
falleu könnte. Eiil Verbum ist iin ersteil
Distichen jedenfalls zu ergänzen. Zu über-
setzen wäre also ungefähr: „so, ihr treue
Augustinerbrüder mib -Väter (bringe oder
widme ich euch, oder: habe ich ersammelt)
diesen Kelch, wie die Ameisen die guten
Körner zusammenzulesen pflegen; aber ihn,
deii ersammelten lind gefertigten (das au
Tubinga angehängte que zu factum zu
beziehen, des Verses halber ans vorher-
gehende Wort aiigeheftet) hat jetzt im Be-
sitz die Alma Tubinga, ihn, den das
fromme Basel mit reichlicher Gabe spendete".

Wir entnehmen aus dieser Inschrift,
daß der Kelch aus Sammelgeldern itub
zwar aus dem reichen Ertrag einer Samm-
lung in Basel, erstellt und dem Augustiner-
 
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