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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 17.1899

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Nr. 10
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Hafner, Otto: Neu entdeckte Wandgemälde in der Gottesackerkapelle von Bieringen, Oberamt Horb, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15904#0102

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die Malerei des Mittelalters bis ins 14.
Jahrhundert hinein gerade dieses See-
lische, Innerliche mit Absehen an der
äußeren Form betonte, m. a. W. eine tief
innige, ideale Richtung pflegte. Das
Formale, Körperliche kam dabei 31t kurz.
Das 15. und 16. Jahrhundert aber legte
ein Hauptgewicht ans die Natur und In-
dividualität, aus die Form. Sie betonte
den Realismus im Gegensatz zum Idea-
lismus. Unser Meister nun ist i'etn Rea-
list in asfekts- und effektsvoller, individueller
Wiedergabe in guter Anatonüe, Perspektive
mit) Symmetrie. Andererseits aber hat er
die groben formalen Fehler z. B. des
13. Jahrhunderts, das Archaische und Ge-
zierte, das ängstliche Hangen am Alten,
Schematischen vermieden und überwunden.
Eine etwas feinere Darstellung in Gewand,
Haltung, Auffassung und Zeichnung hat
sich Bahn gebrochen. Die technischen
Mängel liegen zum Theil auch in jenen
immerhin für die deutsche gothische Malerei
noch jugendlichen Zeiten und der Schwierig-
keit des Malens al fresco. All' dies
würde uns unseres Erachtens in eine
gute gothische Zeit, i n s 14. I a h r-
händert, führen. Ein anderes in-
direktes Indizium könnte ebenfalls dieses
Resultat erzielen. Unsere Kapelle stammt
aus dem 13. Jahrhundert. Unter dem
Oelbergsbild hat man nun einen n 0 ch
älteren Malgrund gefunden. Dies
läßt darauf schließen, daß die Kapelle
wohl schon in ihrer ersten frühgothischen
Periode (13. Jahrhundert) bemalt war
und in der hochgothischen Zeit, also im 14.
Jahrhundert, eine neue Bemalung erfuhr.

Mehr positive Anhaltspunkte, unsere
Bilder in die zweite Hälfte des 14. Jahr-
hunderts hinanfzndatiren, bieten uns ein-
zelne Merkmale auf den Bildern selbst.
Die G e w a n düng liegt noch ziemlich enge
am Leib, wird noch nicht als etwas Selb-
ständiges behandelt. Die Falten sind
noch einfach und fließend, ebenso ihr Bruch
nur schwach. Dies weist in das aus-
gehende 14. Jahrhundert; denn im 15.
und vollends 16. Jahrhundert finden nur
eine weiter fortschreitende Behandlungsart
von Gewand und Falten. (Vgl. Archiv
1898 S. 100.) Dasselbe ist zu sagen
von den Risen, jenen Tüchern, die zur
Umhüllung von Hals und Kinn, besonders
von älteren Frauen getragen wurden. Die

' daran sich findenden oft übermäßigen Ver-
! ziernngen (Krausen) kommen erst im 15.
Jahrhundert auf. (Vgl. Weiß, Kostüm-
kunde, I. Abteilung, 14.—16. Jahrhundert
S. 226 f.) Von solcherlei Verzierung
ist auf unfern Bildern nichts zu sehen.
Was die Bekleidung jenes Ritters bei
der Gefangennahme betrifft, so ist zu be-
merken, daß an Stelle der Ringelharnische
und Ringpanzer ans Draht allmählig in
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts
metallene Besatzstreifen für Arme und Beine
zur Verstärkung treten und im 14.—15.
Jahrhundert Plattenharnische. (Vgl. Weiß
a. a. O. S. 266 f. und P. F. Stalin,
Geschichte Württembergs I, 2 S. 760.)
Wieder anders ist die Bekleidung im 15.
und 16. Jahrhundert. (Weiß, S. 227.)
In die mittelgothische Zeit weisen ferner
die großen runden Heiligenscheine. Bei
der Oelbergscene sehen wir einen Kelch
mit gerundeten Formen, über der Figur
des hl. Petrus eine stab artige Ein-
fassung im Rundbogen, was beides noch
in frühere Zeit weisen könnte, jedenfalls
nicht in spätgothische Zeit. In die ange-
setzte Zeit, wenn nicht noch früher, weist
die ganze Haltung des Gekreuzig-
ten. Darüber steht sodann mit dicken
hochgothischen Buchstaben die Kreuzes-
i ns ch ri ft. Beachtenswerth ist endlich noch
der Ornat des Bischoses in der Fenster-
leibung. Er hat eine gothische Tracht.
Die etwas höhere als breite Mitra mit
einfacher Vandverziernng weist ins 14.
Jahrhundert. Später wurde dieselbe noch
viel höher und verzierter. (Vgl. Braun,
die pontisikalen Gewänder des Abend-
landes S. 51 und Illustrationen hier und
im Archiv 1898 zu Nr. 7 und 6 und
Weiß S. 259.) Die Form des Palliums
ist die des späteren Mittelalters. (Vgl.
Braun a. a. O. S. 165.) Das Tüchlein
unter der Stabkrümmung zunächst als
Schweißtuch und dann später als reich
verziertes Mäntelchen angebracht, ist seit
Beginn des 14. Jahrhunderts nachweis-
bar. (Weiß a. a. O. S. 191 und Archiv
1898 zu Nr. 6.) Abbildungen eines dem
unsrigen nicht unähnlichen Halsbesatzes
ans dem 14. Jahrhundert finden sich bei
Weiß S. 188. Mit alledem glauben wir
als Z e i t b e st i m m u n g für unsere Bilder
die Zeit von 1 3 5 0—1 40 0 plausibel ge-
macht zu haben.
 
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