Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

DOI Heft:
Nr. 3
DOI Artikel:
Rohr, Ignaz: Philipp Veit, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0036

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
daß er die massenhaften Gesuche um Por-
träts als eine Profanation seiner Muse
abweisen 511 müssen glaubte, es sei denn,
daß Freundschaft und Dankbarkeit den
Bittstellern ihre Empfehlung mitgaben.
Diese Begeisterung verließ ihn auch nicht
völlig, als Overbeck mit seinem Gemälde
siw das Städel'sche Institut Fiasko machte,
als das Kölner Ereignis; den konfessio-
nellen Hader zur hellen Lohe entfachte und
er sich > 843 veranlaßt sah, seine Direktors-
Itelle nicderzulegen. Konnte er doch sofort
in Sachsenhausen eine neue Schule grün-
den und von da aus die Bemühungen
um einen Nachfolger am Städel'schen In-
stitut scheitern sehen. Gerade in jene Jahre
fallen seine Kaiserbilder für den Römer
7- markige Gestalten, die seinem geschicht-
lichen Verständnis; wie seinem malerischen
Können gleichviel Ehre machen. Die
»Himmelfahrt Mariens" (Lüttich) reiht sich
ihnen würdig an und sein Entwurf über
die „Erwartung des jüngsten Gerichtes durch
Friedrich Wilhelm IV. und sein Hans"
Mgt ihn auf der Höhe seiner Schaffens-
kraft; ein Augenblick beherrscht die Massen
und die Farben sind von einer Zartheit
und Stimmung, wie selten sonst. Die
Bilder aus den Jahren 1844—1847
athmen Duft und Zartheit, „Genovefa",
der „ungläubige Thomas", „Christus als
barmherziger Samariter", der „erste
Schritt" (Gehversuch des Jesuskindes),
„Gottesmutter mit dein schlafenden Kinde"
-7 ein Werk von feinster Empfindung und
köstlicher Abrundung.

Sein erstes Muttergottesbild, „Ma-
donna mit Kind und Täufer" war ilns
wie ein Markstein einer Blüteperiode in
seinem Schaffen; dieselbe Bedeutung hat
diese Gottesmutter mit den; schlafenden
Kinde; nur inaugurirt sie keine Aera des
Aufschwungs. Beit mochte seinen Kräften
wohl etwas zuviel zugemuthet haben; er sah
sie schwinden, sah die Zahl seiner Schüler ab-
nehmen und fühlte sich nicht mehr heimisch
i» Frankfurt. So siedelte er denn int
Jahre 1854 nach Mainz über in der
Hoffnung, den Dom daselbst mit Fresken
schmücken zu dürfen; allein lange wartete
er vergebens, und als sein Hoffen sich
endlich erfüllte, da war er inzwischen „ein
stlter Herr geworden". Außerdem fehlte
ihm die Anregung; den leitenden Kreisen

in Mainz stand er kühl gegenüber; die
Gotomanie, welche jeder andern Kunst-
gattung abhold war, war nicht nach seinem
Geschmack, und die Abneigung gegen die-
selbe veranlaßte ihn sogar, unter die Redner
und Schreiber zu gehen. Der Erfolg war
freilich nicht durchschlagend. — All' das trug
nicht dazu bei, die erlahmende Schaffens-
kraft aufzufrischen, und so stehen denn die
Kartons für den Dom nicht mehr auf der
Höhe, auf der wir den Meister in der
vorigen Periode sahen. Dasselbe gilt von
den Altarbildern jener Zeit. Dagegen sind
die Kinder seiner einsamen Muße, Dar-
stellungen aus dem Leben des hl. Sebastian,
von dem Duft und der Anmuth, wie wir
sie sonst an ihm wahrnehmen. Seine eigent-
liche Arbeitszeit aber gehörte unablässigen
Versuchen auf koloristischem Gebiet. Die
iibliche Behandluugsweise in der Oeltech-
nik hatte ihn nie befriedigt; er wollte
klare leuchtende Farben; die Töne sollten
der Wirklichkeit entsprechen und die
Schatten sollten von Licht durchdrungen
sein. Das Klärobscür mar sein Streben.
Divinatorisch war er schon früher diesem
Ziele nahe gekommen. Jetzt war es ein
bewußtes Ringen nach demselben; aber ein
dauernder Besitz wurde es nicht mehr. Jenes
souveräne Beherrschen im Wechsel mit
experimentirendeni Tasten, das wir schon
da und dort konstatieren konnten, begegnet
uns auch hier wieder. — Eine Reihe von
Jahren war vergangen, Veit war zum
Greise geworden und galt als verschollen,
da trat er noch einmal mit einem Selbst-
porträt hervor, das mit der Freiheit der
Farbenbehandlung. der einheitlichen Wärme
des Gesammttons und der inneren Wahr-
heit als eine Meisterleistung erscheint.

Er hatte noch einmal seinen divinatori-
schen Zug verspürt, und der hatte ihn
zum Erfolg getragen. Wir haben auch
hier wieder den ganzen Veit.

Mangelhaft ansgebildet, zil wenig zum
beständigen Studium und zur rückhalt-
losen Hingabe an die Natur gewöhnt, um
zu voller Sicherheit zu gelangen, hatte er
früh und später noch den alten Umbriern
sich angeschlossen; andrerseits aber war er
wieder zu selbständig und selbstbewußt, um
mit ganzer Hingabe Schüler zu werden.

> Zu fest überzeugt von den Mängeln der
j zeitgenössischen Kunst, um sich von ihr
 
Annotationen