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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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Nr. 3
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Damrich, Johannes: Antonius der Einsiedler, [5]: eine legendarisch-ikonographische Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0039

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30

Anton in einem Buche lesen, während
vier Dämonen in zottiger Thiermenschen-
gestalt drohend auf ihn zugehen.

Schon mehr Leben und Phantastik zeigt
eine Darstellung, die sich auf der Außen-
seite eines Altarflügels in: bayerischen
Nationaluluseunl findet, und die wir als
ein Beispiel aus den zahlreichen ähnlichen
Bildern dieser Zeit, der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts, anführen möchten.
Hier ist der Einsiedler vor den Mißhaud-
lungen einiger widerlich häßlicher Teufel
halb zu Boden gesunken. Räthselhaft auf
beit ersten Blick erscheint die Gestalt eines
Hahnes, dessen Schwanz in eine lange,
widerhackige, mit feurigglüheuden Stacheln
besetzte, auf zwei Wageurädchen gestützte
Spitze ausläuft. Dieser Hahn, offenbar
auch eine Ausgeburt der Hölle, quält den
Heiligen in seiner Art, indem er ihn mit
seinem Schnabel pickt, so daß seine Haut
mit rothen Punkten ganz besät ist. Wir
haben es in diesem Monstrum offenbar
zu thun mit dem Basilisken, jenem mittel-
alterlichen Fabelwesen, das selbst giftige
Schlangen vergiftet, das durch seine Ge-
genwart Luft und Erde verdirbt, so daß
Baum und Pflanzen absterbeu und die
Vögel tod aus der Luft fallen. ')

Ein Basilisk ist es demnach, der im
vorliegenden Bilde unseren Heiligen quält.
Die Krankheit, die er ihm hier offenbar
verursacht, ist, wie uns von ärztlicher
Seite versichert wurde, wohl keine andere,
als die zu Ausgang des Mittelalters so
häufig auftretende Syphilis. Daß unser
Heiliger auch als Patron gegen dieses
Leiden augerufeu wurde, werden wir unten
kurz erwähnen, jedenfalls ist es kulturge-
schichtlich uud ikonographisch nicht uninteres-
sant, daß man diese Seuche dem verderb-
lichen Einfluß des Basilisken zuschrieb,
und von ihr als der ärgsten Plage, welche
die Hölle verhängen kann, auch unseren
Heiligen befallen sein läßt.

Aus der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts stammt ein Meisterwerk des
Kupferstichs, das unseren Gegenstand be-

') Wenn ein achtjähriger Hahn ein Ei in den
Mist legt und eine Kröte dieses bebrütet, so ent-
steht ein Basilisk mit einem Hahnentopf, acht
Hahnenfüßen und einem Schlangenschwanz. Der
von einem Engel bekämpfte Basilisk an der
Münchener Mariensäule ist so dnrgestellt.

handelt. Es ist die berühnlte „Versuchung
des hl. Anton" von M. Schongauer,
ein Bild, au dem sogar der große Michel-
angelo solches Gefallen fand, daß er es
kolorirt haben soll. Wir sehen St. An-
tonius von einer Rotte Teufel in die Luft
entführt und mißhandelt. Diese Teufels-
gestalten ! Diese borstigen, schuppigen, ge-
hörnten, gerüffelten Gesellen, halb Molch,
halb Vogel und Bock und Fisch und Eidechse,
in denen jede Art von Bosheit, von täppi-
scher Rohheit bis zu giftiger Verbissenheit
und grimmiger Wuth schillert, sind wahre
geniale Prachtstücke ausgesuchter charakte-
ristischer Häßlichkeit! Sie sind in ihrer
Art unerreicht geblieben!

Matthias Grünewald, der große
Zeitgenosse Dttrer's, dessen Kunst aber
total verschiedene Wege von der des Nürn-
berger Meisters geht, hat in denl schon
erwähnten Jseuheimer Altar unseren Gegen-
staud ebenfalls behandelt.

Was uns dieser merkwürdige, erst von
der neueren Kunstgeschichte gebührend ge-
schätzte Künstler hier bietet, ist voll Schon-
gauer's Werk sehr verschieden. Während
mau sich an der ungeheuerlichen Häßlich-
keit der Schonganer'schen Teufel, die uns
nicht schrecken, sondern die wir als die
Schöpfungen einer genialen Künstlerphan-
tasie bewundern, eigentlich herzlich erfreuen
kann, währenddem flößt uns das eckelhafte
Gewimmel der höllischen Unthiere, wie sie
Grünwald schildert, wirklich ein unheim-
liches Grauen ein. Diese schauerlichen
Uugethüme mit gespenstischen Vogelköpfen,
plumpen Nilpferdgestalten — auch der
nach der Hand des armen Einsiedlers
hackende Basilisk ist nicht vergessen —
im Vordergrund wälzt sich ein mit Ge-
schwüren bedeckter Aussätziger, alles von
dem großen Realisten und Koloristen schier
zu naturwahr geschildert!

Die größte Sympathie für das Thema
der Versuchung des hl. Antonius hatten
die Niederländer.

In dem Bilde des Hierou. Bosch
in der kaiserlichen Gemäldegallerie in Wien
drängt sich an den betenden Auachoreteu
ein bekränztes Weib heran, in einem Flusse
nackte badende Weibchen, die ganze weite
Landschaft, die hinten durch eine brennende
Stadt und einen gigantischen unheimlichen
Trichter (?) abgeschlossen wird, ist von
 
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