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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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Nr. 5
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Reiter, Joseph: Material zur Kümmernislegende, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0059

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der Letzteren ist noch vorhanden, welches'
nach dem Urtheil der Sachverständigen ans
dem vorigen Jahrhundert stammen soll.
Kumerana ist dargestellt als junges Mäd-
chen an das Kreuz geheftet. Weitere pfad-
zeigende Einzelheiten können nicht aufge-
führt werden.

Haben mir auch in Manzell, Filial
von Fischbach, eine Stätte der Knmerana-
verehrnng zu suchen? Wenn unser Ver-
zeichnis der Kirchenpatrone in Württem-
berg und Hohenzollern einer richtigen
Fährte gefolgt ist, so wären in der im
Jahre 1804 profanirten Kapelle zu Bkan-
zcll St. Georg und St. Wilgefort (ande-
rer Name für Kümmernis!, gnädig ge-
wesen. (Wahrscheinlich haben wir die Nach-
richt aus dem vom verstorbenen Pfarrer
Schüttle angelegten Verzeichnis der Kirchen-
heiligen geschöpft.) Auch in Manzell hatte
das Kloster St. Gallen schon frühzeitig
Güter erworben. Ein Priester Madins
oder Majo schenkte um 813 feinen Besitz
in Manzell dem genannten Kloster; ein
Priester Pero lässt sich 897 von St. Gallen
die Kirche in Manzell, welche der Priester
Engilbert besaß, verschreiben, lieber ein
Bild der hl. Wilgefort zu Manzell ist
keine Nachricht zu finden.

Etwas besser werden wir mit Küm-
mernismaterial bedient, wenn wir die alte
Reichsstadt Gmünd aufsnchen. Dort be-
wahrt die Erhard'sche Sammlung im Spital
ein sehr interessantes Gemälde, das mir
aus Anlaß unserer Theilnahme am
praktisch-sozialen Kurse im Jahre 1896 in
Augenschein nahmen und das im „Gmün-
der Tagblatt" in Nr. 242 desselben Jahres
ausführlich beschrieben worden ist.

Diese Beschreibung mag im Folgenden
mitgetheilt werden. ^Das Bildnis; der bär- '
tigen Gekreuzigten mit einer goldenen
Krone auf dem Haupt, mit einem bis ans
die Füße reichendem langen Gewände, ohne
Gürtel, erhebt sich über einer Altarmensa,
auf welcher der eine der goldenen Schuhe
steht liebst zwei Leuchtern mit brennenden
Kerzen. Neben bem Altartisch kniet der
Geiger. Unter dem Bilde ist eine In-
schrift angebracht, welche die Kümmernis-
legende zu ihrem Inhalte hat und in unse-
rer Schreibweise wiedergegeben also lautet:

„Es war eines heidnischen Königs
Tochter, die war schön und weise. Darum

wollt' sie ein heidnischer König zur Ge-
mahlin haben. Das war ihr leid, denn
sie halt' ihren Gott zum Gemahl erwählt.
Das that ihren Vater verdrießen und ließ
sie fangen. Da rnefte sie Gott an in
ihren Leiden, daß er ihr zu Hilfe käme.
Da erschien er ihr und tröstet sie. Da
begehrt sie von Gott, daß er sie verwandle,
daß sie keinem Mann gefiele auf Erden,
als ihm allein. Da verwandelt er sie in
seine Gestalt. Da das ihr Vater fragte,
tvarum sie so (ans)sehe, da sprach sie, ihr
auserwählter Gemahl Hab' sie nach ihm
gebildet, da sie keinen wollte, denn den
Gekreuzigten. Da erinnerte sich der Vater
und sprach: Du ntußt nach ihm gekreuzigt
werden. Darum war sie willig und starb
am Kreuz. Wer sie anruft in seinen
Kümmernissen, dein hilft sie mit ihrer großen
Fürbitt bei Gott und heißt Kümmernus,
liegt in Holland, in einer Kirche, heißt
Stangberg. Wer sie will verehren, der
laß ihre Bildnus in eine Kirche machen,
wo sie nicht ist. Es kam ein armes
Geigerlein und geiget so lang, bis ihm
das Bild einen güldenen Schuh gab. Den
nahm er und trug ihn znvt Goldschmied
zu verkaufen. Der Goldschmied sagte er
habe ihn gestohlen. Er sprach: nein, das
gekreuzigte Bild habe ihn gegeben. Man
sing ihn und wollte ihn hängen. Da be-
gehrte er wiederum zu dem Bild, so woll
er geigen. Geb es ih»t tiit wieder den
Schuh, so soll man ihn hängen. Er
gieug wieder zu den; Bilde und geigte.
Das Bild gab ihiil wieder den Schuh.
Da lässt man ihn frei und ledig nach
Hanse gehen.

Anno 1678.

Renoviert 1767. Ex: Voto."

Ein zweites Kümmernisbild, — etwa
hundert Jahre alt, war früher bei Kom-
merzienrath Erhard in Gmünd zu sehen,
dasselbe ist aber jetzt nach einer gütigen
Mittheilung des Herrn Rektors Er. Klaus
ebenfalls in der Erhard'schen Sammlung
daselbst untergebracht. Die Figur der
Gekreuzigten und dem entsprechend die des
Geigers auf demselben ist größer als auf
dem eben genannten Gemälde.

Das Kreuz steht auf dem Boden, kein
j Altartisch davor, der eine Schuh ebenfalls
auf bem Boden. Die Gekreuzigte selbst
I ist auch bärtig, hat gleichfalls eine goldene
 
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