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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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Nr. 6
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Bickel, Fr. A.: Das Bild "Mariä Verkündigung": in der Pfarrkirche zu Hörbranz in Vorarlberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0075

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Schönheitsgefühl erhebt sich dieses Bild
himmelhoch über das Original".

Dieses Gemälde wurde, wie schon früher
bemerkt, in der Damenstiftskirche zu Hall
in Tirol ansbewahrt und zwar ca. 164
Jahre. Im Jahre 1763 mußte auch das
so wohlthätige königliche Damenstift dem
Sturme der Zeiten unterliegen. In diesem
Jahre wurde das Stift, das von Habs-
burgern gegründet und reich ausgestattet,
ein wahrer Segen für die Stadt Hall und
die ganze Umgebung war, von Kaiser Jo-
seph II. aufgehoben; die kostbaren Para-
mente, heiligen Gefässe, die Kunstgemälde
und Religuienschreiue wurden öffentlich
versteigert und vielfach um einen Spott-
preis verschleudert.

Ein gewisser Herr Ignaz Pichler, Bürger
in Augsburg, der Abstammung nach wohl
ein Tiroler, kannte dies Bild, reiste eigens
znr Versteigerung von Augsburg nach Hall,
erstand dasselbe und ließ cs nach Augs-
burg bringen, allwo es im Werner'schen
Hanse in nächster Nähe der Domkirche,
ansbewahrt und in hohen Ehren gehalten
wurde.

König Ludwig I. von Bayern, Otto l.,
König von Griechenland, Prinz Wilhelm
von Preußen, der spätere deutsche Kaiser
Wilhelm I., Bischöfe, hohe adelige Per-
sönlichkeiten, hohe Militärs, Gelehrte und
Künstler statteten gelegentlich ihres Auf-
enthaltes in Augsburg auch dem Werner-
scheu Hanse einen Besuch ab, nin dieses
Bild zu besichtigen.

Ludwig I., König von Bayern, wünschte
dieses Bild in seinen Besitz zu bringen
und bot nicht weniger als 36 000 fl. für
dasselbe; auch Kronprinz Wilhelm von
Preußen, Fürst Radziwill, ein französischer
Margnis und andere bemühten sich, das-
selbe zu erwerben, allein vergebens. Herr
Werner, der durch Verehelichung mit der
Witwe des Ignaz Pichler in den Besitz
dieses Bildes kam, hatte in seinem Testa-
mente die Verfügung getroffen, das Bild
habe fortwährend in der Werner'schen
Fannlie zu verbleiben uub dürfe nur dann
veräußert werden, falls die Fanülie in
große Roth geriethe. Im Jahre 1833
wurde das Bild von Professor Geper
lithographiert. Im Ganzen wurden 325
Abdrücke gemacht. 25 erhielt die Familie
Werner, 300 wurden vom Kunstverein in

Augsburg seinen Mitgliedern als Jahres-
gabe ausgegeben. Diese Abdrücke haben
heute einen bedeutenden Werth.')

Herr Anton Werner jr. von Augsburg,
der sich vor ca. zehn Jahren in Fron-
hofen, Gemeinde Hörbranz, Fräulein Maria
Werke hieher als Braut geholt, ist nun
endgiltig übersiedelt nnd ist jetzt alleiniger
Besitzer dieses kostbaren Familienerbstückes.
Herr Werner hat obbeschriebenes Bild mit
nicht geringen Kosten von AngSbnrg nach
Hörbranz überführen lassen, allwo es in
der Pfarrkirche im Chore einen würdigen
Platz gefunden nnd an Marienfesten ge-
öffnet wird. Dasselbe wird aber auch zu
jeder andern Zeit bereitwilligst geöffnet
nnd gezeigt. Wer immer dasselbe sehen
will, braucht sich nur an den Ortspfarrer
zu wenden, der den Schlüssel dazu in Ber-
wahrung hat.

So ist denn das Bild, das früher 164
Jahre ans österreichischem Boden in der
Stadt Hall in hoher Verehrung stand,
nachdem es 1 l 6 Jahre im Auslande ivar,
wieder nach Oesterreich zurückgekommen,
nnd zwar gerade zil der Zeit, in der der
Seligsprechungsprozeß der im Rufe der
Heiligkeit verstorbenen Kaiserstochter, der
eigentlichen Gründerin des Damenstiftes
zu Hall, durch den hochwürdigsten Fürst-
bischof von Briren eingeleitet worden ist.

Seitdem das Bild von Augsburg in die
Pfarrkirche zu Hörbranz gebracht worden,
haben schon viele hohe Persönlichkeiten
geistlichen und weltlichen Standes dasselbe
besichtigt.

Dr. Werber, Dekan und Stadtpfarrer
von Radolfszell, schreibt in seiner Zeit-
schrift „Freie Stimme am See": „Das
Bild ist außerordentlich schön und gut er-
halten. Einem solchen Farbenschmelz be-
gegnet man selten. Ich habe nie einen
schönem Engelskopf gesehen. Man be-
kommt nicht genug am Schauen nnd Be-
trachten. Wer in die Nähe kommt, säume
nicht, das Bild sich anznsehen."

Hörbranz liegt am äußersten Ende
Oesterreichs an der bayerischen Grenze nnd
ist sowohl von Lindau, wie auch von
Bregenz aus in einer guten Stunde zu
erreichen.

') Nach einem solchen Abdruck im Besitze des
Verfassers ist unsere Abbildung gefertigt.

Die Ned.
 
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