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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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Nr. 6
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Reiter, Joseph: Material zur Kümmernislegende, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0079

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69

soll gestanden haben um die oder neben '
der gekreuzigten Figur: „S. Wilfor". Ich
vermuthe, daß dies nichts Anderes war,
als die auf den Luccheser Münzen zu beiden
Seiten des Gekreuzigten befindliche Auf-
schrift: „Sanctus Vultus" mit Abkürzung
der Endung „us".

So Or. Schnürer. Was haben nun
wir zu diesen hochinteressanten Ausfüh-
rungen zu sagen?

Vor allem sei konstatirt, das; der charak- !
teristische dem Volto Santo eigenthümliche
'! ogen auch das Kirchheimer Bild umgibt.
Mithin ist dasselbe geeignet, eine von den
Lücken in der Beweisfilhrung Schnürers!
ausznfüllen. Wenn sodann in den; eben!
angeführten Aufsatz die örtliche Verbrei- ^
tung der Kümmernisbilder in's Auge ge-
faßt und auch die Straße aus Graubünden
Zum Bodensee genannt worden ist, so mag
als Seitenstück zum Bilde von Rankweil!
das Kümmernisbild in der uralten Mar-
tinskapelle zu Bregenz ausgesührt werden,
welches nach einer Notiz des „Deutschen
Volksblattes" Nr. 215 vom 22. September
1897 unter den dortigen Wandmalereien
gefunden worden ist.

Schnürer hofft, daß, wenn einmal alles
Kümmernismaterial gesammelt sein wird,
sich uns dann ein interessanter Einblick
eröffne in die Andacht zuin göttlichen Er-
löser, rvic sie anr Ausgang des Mittel-
alters gepflegt wurde. Alan kann mit
ihm diese Hoffnung theilen. Allein wenn
es auch dahin kommen sollte, daß alle
Lücken in Schnürers Beweisführung aus-
gefüllt waren und seine Annahme ans's
glänzendste gerechtfertigt wäre, so blieben
doch noch einige dunkle Punkte übrig,
welche gar sehr der Aufhellung bedürfen.
So will man unter Anderein immer wie-
der fragen, wie wohl die Sage mit dem
Schuh entstanden oder ivie sie zu deuten
sei. Hat man mehr den Armen oder den
Sohn der Lieder (vergleiche die Pifferari
iii Rom) in das Auge zu fassen, oder ist
es gleichgiltig, welchen von beiden man
als Beschenkten betrachtet. Und beim Ge-
lenke selbst — koinnit mehr das Metall
oder der Schuh in Betracht? Läßt sich
etwa aus alten Rechtsanschauungen oder
aus dem Psalmwort „lv Idumaeam ex-
tendam coiceamentuni meum* (Ps. 59,
V. 10) ein Ausgangspunkt für die Weiter-

führung der Betrachtung gewinnen? Was
ist zu halteil von der im „Frankfurter
Anzeiger für die katholische Geistlichkeit"
(Nr. >7, Jahrg. 1897) veröffentlichten
Auffassung von Professor Hausmann in
Dillingen? Nach ihm sind die Kümmer-
nisbilder Bilder des Leidens Christi, ein
griechischer Christus mit Rock statt Lenden-
tnch. Das Geigerlein opfert dem lieben
Heiland sein lustiges Handwerk auf, denn
viele Wasser konnten nicht auslöschen die
Liebe. Der Heiland gibt ihm nun den
Gegenlohn und zwar denjenigen Lohn,
welcher allein ihm wahrhaft nützt: seinen
goldenen Schuh, d. h. die Gnade der
Nachfolge Christi, das ist der gediegene
Weg der Abtödtnug, der goldene Weg
des Kreuzes. Ohne den Schuh der Gnade
— auf einem alten Abendmahlsbild zieht
der Satan dem Judas die Schuhe aus:
das nämliche Gleichnis; — kann man diesen
Weg nicht gehen, und doch führt nur
dieser Weg znm Heile.

Gedenken wir noch in einigen Sätzen
des „Geigers von Gmünd", welcher durch
das herrliche Gedicht von Justinus Kerner
und die musikalischen Kompositionen von
Krug-Waldsee und Göpfart in ganz Deutsch-
land bekannt geworden ist. Das volks-
thümliche Gedicht von Kerner hebt also an:

„Einst ein Kirchlein sondergleichen —

'Noch ein Stein von ihm steht da —

Baute Gmünd der sangesreichen

Heiligen Cäcilia."

Ein Kirchlein zu Ehren der hl. Cäcilia
hat in Gmünd wohl noch nie existirt, und
so kann man leicht auf den Gedanken
kommen, daß der Dichter durch den An-
blick eines Kümmernisbildes die Anregung
zu seiner Dichtung bekommen habe. Diese
Annahme gewinnt an Wahrscheinlichkeit,
i wenn man weiß, daß der oben erwähnte
Kommerzienrath Erhard nicht nur ein
Kümmernisbild, sondern auch die Original-
handschrift des „Geigers von Gmünd" in
seinem Besitz gehabt hat.

Die Frage, ob man im Mittelalter der
hl. Cäcilia auch Kirchen geweiht hat, ist
wohl in bejahendenr Sinne zu beantworten.
Von Köln wiffen mir, das; die Cäcilien-
kirche eine der ältesten der Stadt ist und
daß von ihr wahrscheinlich das Patrozinium
i dieser Heiligen aus die übrigen Pfarr-
I kircheu der Erzdiözese verbreitet wurde.
 
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