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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 20.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.15935#0115

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gedachten architektonischen Formen blos verkleinert
auf Möbel u. s. w. zu übertragen. Während
aber das letztere Werk weit mehr Vorarbeiter,
auch zur Demonstration geeignete Muster und
einen scharfen Konkurrenten in dem bekannten,
schon in 12. Auflage erschienenen trefflichen
„Katechismus der Baustile" von Idr. E. v. Sacken
(Leipzig, I. I. Weber, 2 M.) hat, so ist für das
Kunstgewerbe ein gleich reichhaltiges Werk
wie das im Titel genannte kaum vorhanden.
Ueberblicken wir den Inhalt: die Einleitung des
Textes berührt Entstehung und Begriff des Kunst-
Handwerks (Zweckmäßigkeit und „Verschönerung"
zunächst mittels des „primitiven" — geometri-
schen — Ornaments —); dann finden Aegypten,
Babylonien und Assyrien (letztere ohne Figuren-
tafel) kurze Besprechung, worauf als erster Haupt-
theil die von diesen Ländern beeinflußte Kunst
des Abendlandes folgt: im heidnischen
Altert h u m zunächst natürlich der griechische Stil,
der in vorzüglicher Weise wie auf Stoff und
Technik, so auf Zweckmäßigkeit Rücksicht nimmt,
dann der römische '). Das ch ristlicheMittel-
alter betonte bei künstlerischer Darstellung durch
seine Symbolik den Gedanken vor der Form, zuerst
in Byzanz und Ravenna noch mit viel Farben-
freudigkeit und größter Ueppigkeit, worin sich
bedeutender orientalischer Einfluß auf das ästhe-
tische Empfinden kund gibt; in der germanischen
Kunstübung sodann, so gering sie anfänglich bei
aller Selbständigkeit auftrat, begann sich bald
mit Auflösung des Reiches Karls des Großen
das Deutschthum in Gemeinschaft mit dem
Christenthum eigentliche Geltung zu verschaffen:
es erstarkte der von der Geistlichkeit getragene
romanische Stil (1000—1250) und darauf er-
blühte der gothische (1250—1450), wenn auch
des letzteren Ursprung aus Frankreich herzuleiten
ist. Die R e u z e i t, welche mit den mittelalterlich-
christlichen Anschauungen über Kunstformen gänz-
lich brach, griff wieder auf die alten der Antike
zurück in italienischer, französischer und deutscher
Renaissance (etwa innerhalb 1420—1650), deren
Ornament aber nicht so wie das griechische aus
der Zweckmäßigkeit entstanden, sondern mehr als
dekoratives Beiwerk erscheint; ihr folgten ab-
und ausartend nach einander der Barock-, Rokoko-,
Louis XVI-, Empire- und schließlich der Bieder-
meyerstil bis über die Mitte des vorigen Jahr-
hunderts, in dessen 60er und 70er Jahren wieder
ein erfreulicher Aufschwung des Kunstgewerbes
in den meisten europäischen Staaten sich anbahnte.
Jni ziveiten Haupttheil wird behandelt das weit
mehr äußeren, reizvollen Farbenschmuck und
blendenden Glanz als Schönheit der Linien-
wirkung erstrebende und darum vorzugsweise in
Fayencen, Metall- und Textilarbeiten sich be-

') Die Ausführungen hierüber finden sich
hier in Baden i. Aargau, wo ich das schreibe,
durch die neuerdings in einem römischen
Militärlazareth gemachten zahlreichen Funde
in allem Wesentlichen bestätigt; mann kann
auf Grund derselben höchstens der römischen
Glasgießerei und -Bläserei eine noch höhere, der
unserigen fast gleichkommende Bedeutung zu-
schreiben.

thätigende Morgenland, das seine charakteri-
stischen Vertreter in den künstlerischen Erzeug-
nissen des Islam (persisch-türkischen wie spanisch-
maurischen Artefacten), in den Arbeiten der
indischen und chinesisch-japanesischen Kunst hat.
Dieses Eintheilungsprinzip, welches sich ans Re-
ligion Und Beschaffenheit der Landschaft stützt,
scheint entschieden vor dem des blos äußerlichen,
zeitlichen Verlaufes den Vorzug zu verdienen.
Ein „Anhang" zeigt schließlich an neun ver-
schiedenen Formen der Rosette den ganzen Ent-
wicklungsgang der Ornamentik. Das Ornament,
selbstverständlich zuerst in jeder Periode nach
seinen unterscheidenden Grundformen als geo-
metrisches, pflanzliches und figürliches, als flaches
oder plastisches, möglichst kurz, aber treffend
charakterisirt, muß sich ans seiner Verwendung
an den verschiedenen Stoffen: Holz und Elfen-
bein (Intarsia), Eisen, Broncen und Edelmetallen,
Fayencen und Porzellanen, in der Stickerei-,
Textil- und Ledertechnik u. s. w., welche durch
die 248 Abbildungen veranschaulicht wird, er-
geben; manch' treffliche Winke und bezeichnende
Merkmale hebt dazu der Text in knappster Form
hervor. Auch die Erklärung der allernothwendig-
sten technischen Ausdrücke verdient besonders er-
wähnt zu werden.

Der rückhaltlosen Anerkennung, die wir dem
ungewöhnlichen Reichthum an geschichtlichem Ge-
halt und leitenden Gedanken zollen, meinen wir
doch einige Bedenken und Wünsche, meist die
Abbildungen betreffend, anfügen zu sollen. Wenn
auch dem Verfasser zugegeben werden soll, daß
„sich jetzt noch nicht — wir sagen: schwer — fest-
stellen läßt, worin die Eigenthümlichkeiten des
Stils um 1900 bestehen", so erscheint doch der
gänzliche Mangel einiger kunstgewerblicher Muster
aus der Moderne und wenige Andeutungen ihrer
technischen Ausführung mißlich, da Kunstgewcrbe-
schülern eine Anleitung zur Bethätigung in
neuester Richtung jetzt nicht mehr wohl ganz
vorenthalten werden darf, Kunsthandwerkern vol-
lends mit bloßer Kenntnis der historischen Stil-
formen für erfolg- und gewinnreiches Arbeiten
wenig gedient sein wird. Die alten gesunden
Grundsätze dafür: jeder kunstgewerbliche Gegen-
stand entspreche durch die Formgebung seinem
Zweck, repräsentire Wahrheit in seiner Konstruk-
tion, Wahrheit in seinem Material, halte sich von
sklavischer Nachahmung fern und zeige Origina-
lität (S. 6) — sind ja bekannt. Wollen sodann
die hier als Muster verwendeten Zeichnungen
von Kunstgewerbeschülern nicht getadelt werden,
obwohl manche gar zu klein ausgefallen sein
dürften, so ist immerhin das Fehlen von Farben,
zum wenigsten der Materialfarben, ein ebenso
begreiflicher als entschiedener Mangel, der bei
dem angegebenen Zwecke des Werkes durch Worte
nicht ersetzt werden kann. Das Gebotene ist ein
Lehrgang, wenn man will, ein zu freierer
Ausführung geeignetes Kollegienheft über die
geschichtliche Entwicklung des Kunsthandwerks für
einen Lehrer, der womöglich durch Demonstration
seine» Vorträgen nachhilft, und kann jedenfalls
Kunstgewerbeschülern als Fixirung des wesent-
lichen Inhalts der Vorträge zur Repetition recht
gute Dienste leisten; für gewerbliche Fortbildungs-
 
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