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und auch noch für Fachschulen (S. 4) scheint es,
wenigstens von unfern Verhältnissen aus ange-
sehen, trotz und wegen seines historischen Stand-
punktes im Durchschnitt zu hoch zu sein und zun,
Selbstunterricht für Kunsthandwerker des prak-
tisch Verwerthbaren doch zu wenig zu bieten.
Vielleicht wären auch die Abbildungen besser im
Texte selbst an geeigneten Stellen angebracht,
damit schrittweises Betrachten erleichtert und das
unbequeme Umschlagen erspart wäre. Das Alles
wohl aus Crsparnihgründen. Darum: für 2 Mark
ist quantitativ zu viel geboten; qualitativ kann
das Gebotene nicht allen angestrebten Zwecken
genügen, das Werk ist zu wohlfeil; nur bei
höherem Preise könnten die angedeuteten Be-
denken gehoben werden. I. Schermann.
Unter dem Campanile von San Marco.
Ein Nachruf zur Erinnerung nn Venedigs
stolze Tage von Di'. Paul S ch u bring.
Mit künstlerischer Umschlagszeichnung, drei
Illustrationen im Text und sieben Bild-
tafeln. Halle a. S., Gebauer-Schwetschke,
1902. 4». 43 S. M. 1.20.
Einen letzten Feriengenuß bereitete mir die
Prüfung dieses gelungenen Essays; er erzählt dem
von dem tragischen Geschicke des Campanile von
San Marco schmerzlich berührten Leser den Bau
und die Geschicke der Basilika und des Campanile,
malt auf dem hellen oder roten Widerschein der
Tage dcK Festes und der Klage und im Dufte
der Sage in neun leicht hingeworfenen Bildern
(Abschnitten) das Aufsteigen der stolzen Beherr-
scherin der Adria und des Orients zur Höhe ihrer
Macht und ihres Glanzes und läßt dann wieder
die auf dem lauwarmen Nährboden wirtschaft-
licher Hypertrophie wuchernde, in luxuriösen Um-
zügen, Prozessionen, Meerfahrten, Schaustellungen
sich darstellende leichte Lebensauffassung und den
feinsinnlichen Frauenkult, wie auch die durch drei
weltgeschichtliche Ereignisse: die Entdeckung des
Seewegs nach Ostindien, die Eroberung Kon-
stantinopcls durch die Türken und die Ligue von
Cainbray notwendige Schicksalswendung politischer
Dekadenz nn unserm Auge vorüberziehen, um
schließlich vor dem melancholischen Nachspiel der
letzten drei Jahrhunderte „des großen Löwen",
der von 1000—1600 triumphirte, den Vorhang
zu heben. Die stolze, selbstbewußte Kraft der
vornehmen Geschlechter, ihre Freude an . dem
Glanze und der Lust des Daseins, der fabelhafte
Reichthum der Lagunenstadt spiegelt sich begreif-
licherweise in der Farbenschönheit, dem Schmelz
und der Weichheit der ganzen Venetianerschule
von Giovanni Bellini an, aber auch in den
scharfen Gegensätzen und der ausdrucksvollen
Charakteristik ihres Hauptmeisters Tizian wieder.
Von den beiaegebenen sieben Tafeln (Autotypien)
helfen die fünf ersten dem Verständnis des Textes
bis ins XIX. Jahrhundert nach, während die
zwei letzten, das Urteil Salomos am Dogenpalast
um 1420 und der Apollo des Jacopo Sansovino
ans der nunmehr zerstörten Logetta, zeigen, daß
die venetianische Plastik wie die Malerei im Cin-
quecento das im Quatrocento der gleichzeitigen
florentinischen gegenüber Versäumte einholt. Daß
Venedigs Schönheit auf Besucher wie Albrecht
Dürer befruchtend wirkte und Göthe u. a. be-
geisterte, ist ein Beweis für den bedeutungsvollen
Gehalt des ganzen Sujets. Abgesehen von der
Verunzierung durch „die heilige Trinität" des
Domes, Dogenpalastes und des Campanile und
„den schnellen Dolchstößen der päpstlichen Küm-
merer", die einen generalisierenden Eindruck
machen, kann man das prächtige Kulturbild nur
loben und cs als sehr anregende, nicht schwere
Lektüre wohl empfehlen.
R. I. Schermann.
Alittheilung.
Herrn L. in T. lieber K i r ch e n -
g c st ü h I, wie es sein und nicht sein
soll, finden Sie das Nöthige sannnt Zeich-
nnngen in „Archiv" 1887 Nr. 8 und 9
(S. 73 ff.).
Annoncen.
j Hcrderschc BerlagShandlung, Frcibnrg i. Br.
Soeben sind erschienen und durch alle Buch-
handlungen zu beziehen:
Dev alte IkilstkMimlD des
IkkiölMM Nlmsikl'5. L
trag zu dessen Kenntniß und Würdigung
von Frist QggtfiES. Erste r Teil. 13.
u. 14. Jahrhundert. Lieferung 1. Folio.
(64 S. Text, 94 Abbildungen und 2 Tafeln
in Farbendruck.) M. 5.
Das vorliegende Werk wird fünf Lieferungen
zum Preise von je M. 5 umfassen und im
Laufe von zwei bis drei Jahren vollständig
erscheinen. Dasselbe wird neben 350 bis 400
Textabbildungen 8 Tafeln in Farbendruck
enthalten.
Eine Fortsetzung, die Glnsgemälde des
15. bis 17. Jahrhunderts behandelnd, soll
sich später anschließen.
Symbolik des Kirchen-
g-ebäudes Stauung"Tn Adei'
Auffassung des Mittelalters- Mit
Berücksichtigung von Ilonorius Augusto-
dunensis Sicardus und Durandus. Von
Er. Joseph Sauer. Mit 14 Abbildungen
im Text. gr. 8°. (XXIV u. 410 8.)
M. 6.50; geb. in Halbfranz M. 8.40.
1)10311 eine Kunst.Leilage:
Hochaltar in der Stadlpfarrkirche zu Ivangen i. A.
von Theodor Schnell in Ravensburg.
Stuttgart, Bttchdrnckercl der Akt.-Gcs. „Deutsche?« BolkSblatl".
und auch noch für Fachschulen (S. 4) scheint es,
wenigstens von unfern Verhältnissen aus ange-
sehen, trotz und wegen seines historischen Stand-
punktes im Durchschnitt zu hoch zu sein und zun,
Selbstunterricht für Kunsthandwerker des prak-
tisch Verwerthbaren doch zu wenig zu bieten.
Vielleicht wären auch die Abbildungen besser im
Texte selbst an geeigneten Stellen angebracht,
damit schrittweises Betrachten erleichtert und das
unbequeme Umschlagen erspart wäre. Das Alles
wohl aus Crsparnihgründen. Darum: für 2 Mark
ist quantitativ zu viel geboten; qualitativ kann
das Gebotene nicht allen angestrebten Zwecken
genügen, das Werk ist zu wohlfeil; nur bei
höherem Preise könnten die angedeuteten Be-
denken gehoben werden. I. Schermann.
Unter dem Campanile von San Marco.
Ein Nachruf zur Erinnerung nn Venedigs
stolze Tage von Di'. Paul S ch u bring.
Mit künstlerischer Umschlagszeichnung, drei
Illustrationen im Text und sieben Bild-
tafeln. Halle a. S., Gebauer-Schwetschke,
1902. 4». 43 S. M. 1.20.
Einen letzten Feriengenuß bereitete mir die
Prüfung dieses gelungenen Essays; er erzählt dem
von dem tragischen Geschicke des Campanile von
San Marco schmerzlich berührten Leser den Bau
und die Geschicke der Basilika und des Campanile,
malt auf dem hellen oder roten Widerschein der
Tage dcK Festes und der Klage und im Dufte
der Sage in neun leicht hingeworfenen Bildern
(Abschnitten) das Aufsteigen der stolzen Beherr-
scherin der Adria und des Orients zur Höhe ihrer
Macht und ihres Glanzes und läßt dann wieder
die auf dem lauwarmen Nährboden wirtschaft-
licher Hypertrophie wuchernde, in luxuriösen Um-
zügen, Prozessionen, Meerfahrten, Schaustellungen
sich darstellende leichte Lebensauffassung und den
feinsinnlichen Frauenkult, wie auch die durch drei
weltgeschichtliche Ereignisse: die Entdeckung des
Seewegs nach Ostindien, die Eroberung Kon-
stantinopcls durch die Türken und die Ligue von
Cainbray notwendige Schicksalswendung politischer
Dekadenz nn unserm Auge vorüberziehen, um
schließlich vor dem melancholischen Nachspiel der
letzten drei Jahrhunderte „des großen Löwen",
der von 1000—1600 triumphirte, den Vorhang
zu heben. Die stolze, selbstbewußte Kraft der
vornehmen Geschlechter, ihre Freude an . dem
Glanze und der Lust des Daseins, der fabelhafte
Reichthum der Lagunenstadt spiegelt sich begreif-
licherweise in der Farbenschönheit, dem Schmelz
und der Weichheit der ganzen Venetianerschule
von Giovanni Bellini an, aber auch in den
scharfen Gegensätzen und der ausdrucksvollen
Charakteristik ihres Hauptmeisters Tizian wieder.
Von den beiaegebenen sieben Tafeln (Autotypien)
helfen die fünf ersten dem Verständnis des Textes
bis ins XIX. Jahrhundert nach, während die
zwei letzten, das Urteil Salomos am Dogenpalast
um 1420 und der Apollo des Jacopo Sansovino
ans der nunmehr zerstörten Logetta, zeigen, daß
die venetianische Plastik wie die Malerei im Cin-
quecento das im Quatrocento der gleichzeitigen
florentinischen gegenüber Versäumte einholt. Daß
Venedigs Schönheit auf Besucher wie Albrecht
Dürer befruchtend wirkte und Göthe u. a. be-
geisterte, ist ein Beweis für den bedeutungsvollen
Gehalt des ganzen Sujets. Abgesehen von der
Verunzierung durch „die heilige Trinität" des
Domes, Dogenpalastes und des Campanile und
„den schnellen Dolchstößen der päpstlichen Küm-
merer", die einen generalisierenden Eindruck
machen, kann man das prächtige Kulturbild nur
loben und cs als sehr anregende, nicht schwere
Lektüre wohl empfehlen.
R. I. Schermann.
Alittheilung.
Herrn L. in T. lieber K i r ch e n -
g c st ü h I, wie es sein und nicht sein
soll, finden Sie das Nöthige sannnt Zeich-
nnngen in „Archiv" 1887 Nr. 8 und 9
(S. 73 ff.).
Annoncen.
j Hcrderschc BerlagShandlung, Frcibnrg i. Br.
Soeben sind erschienen und durch alle Buch-
handlungen zu beziehen:
Dev alte IkilstkMimlD des
IkkiölMM Nlmsikl'5. L
trag zu dessen Kenntniß und Würdigung
von Frist QggtfiES. Erste r Teil. 13.
u. 14. Jahrhundert. Lieferung 1. Folio.
(64 S. Text, 94 Abbildungen und 2 Tafeln
in Farbendruck.) M. 5.
Das vorliegende Werk wird fünf Lieferungen
zum Preise von je M. 5 umfassen und im
Laufe von zwei bis drei Jahren vollständig
erscheinen. Dasselbe wird neben 350 bis 400
Textabbildungen 8 Tafeln in Farbendruck
enthalten.
Eine Fortsetzung, die Glnsgemälde des
15. bis 17. Jahrhunderts behandelnd, soll
sich später anschließen.
Symbolik des Kirchen-
g-ebäudes Stauung"Tn Adei'
Auffassung des Mittelalters- Mit
Berücksichtigung von Ilonorius Augusto-
dunensis Sicardus und Durandus. Von
Er. Joseph Sauer. Mit 14 Abbildungen
im Text. gr. 8°. (XXIV u. 410 8.)
M. 6.50; geb. in Halbfranz M. 8.40.
1)10311 eine Kunst.Leilage:
Hochaltar in der Stadlpfarrkirche zu Ivangen i. A.
von Theodor Schnell in Ravensburg.
Stuttgart, Bttchdrnckercl der Akt.-Gcs. „Deutsche?« BolkSblatl".