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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 42.1927

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Naegele, Anton: Aus dem Leben und Schaffen eines schwäbischen Künstlers in Rom: zum Gedächtnis des 100. Geburtstages des Bildhauers Prof. J. v. Kopf (1827 - 1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15945#0046
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lich klopfte er auch an den Türen der Ateliers italienischer Künstler (Tenerani
und Tadolini) und des Engländers Gibfon an. Zufrieden, bei einem Schwei-
zer päpstlichen Gardisten als Stuhlschnitzer unterzukommen, verdiente Kopf
Wohnung und Kost und konnte noch mit dem Verdienst des halben Tages
an der Kunstakademie San Lucca einen Kurs mitmachen. „Ich verdiente
Geld und konnte dabei noch studieren - welcher Jubel!" lesen wir im Tage-
buch des Künstlers.

Das erste harte und doch lebens- und schaffensfroh verbrachte Jahr feines
römischen Aufenthalts sollte nicht ohne ein großes Glück für den angehenden
Musensohn vorübergehen, nicht ohne den Lohn, der beharrlichem Streben
und Ringen winkt. Der böhmische Bildhauer Pilz, der dem Schwaben gegen
Holzschnitzereien in seinem Atelier zu Rom Unterkunft und Arbeit bot, lenkte
auf Kopfs erste Modellierung, einen thronenden C h r i st u s, die Auf-
merksamkeit von Cornelius und Overbeck, der Häupter der Nazarenerschule
in der ewigen Stadt. Die ohne Modell in halber Lebensgröße geschaffene
Freifigur fand wohlwollende Beurteilung bei beiden deutschen Meistern sowie
den übrigen eingeladenen Künstlern Riedel, Wolf, Hoffman», Steinhäuser.
In seiner kindlichen Freude, etwas Selbständiges geleistet zu haben, kam der
junge Bildhauer sich „wie ein Huhn vor, das die ganze Welt auf fein gelegtes
Ei aufmerksam macht", gesteht er selbst später in den Lebenserinnerungen.
Besonders beglückte ihn die Empfehlung Overbecks und Cornelius',
deren Zeugnisse (vom 13. Mai 1854), durch Konsul Kolb der Württem-
berg i s ch e n R e g i e r u n g nach Stuttgart übersandt, ihm ein StaatSstipen-
dium erwirkten. Die ohne Modell geschaffene, von Pinturicchioö Christus in
S. Croce inspirierte Figur zeichnet sich nach dem Empfehlungsschreiben der
beiden „Halbgötter des damaligen Kunstolymps" durch edle Auffassung, tiefes
religiöses Gefühl und durch eine für des Künstlers Alter ungewöhnliche Fer-
tigkeit in der Ausführung aus. Indes der Kopf der sitzenden Christusfigur
befriedigte den Urheber des Erstlingswerks selber nicht, er vermißte „das in-
dividuelle Leben" darin. Nur kurze Zeit fesselte den angehenden Bildhauer
der Bann der Nazarenerschule, die idealistische, schließlich in Süßlichkeit und
Imitation der Präraffaeliten ausartende Richtung der religiösen Kunst der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Werk, erst 1869 in Marmor voll-
endet, kam ex voto in die Wallfahrtskirche auf dem Bussen ob dem Geburts-
ort Kopfs, seitdem oftmals bald der Unter-, bald der Überschätzung preisge-
geben (Abb. 3).

Einen neuen Markstein künstlerischer Entwicklung bedeutet daö Relief
der Verstoßung der H a g a r, den Schritt von dem idealistisch-romanti-
schen Nazarenertum zum geläuterten klassischen Realismus, der alle künftigen
größeren Arbeiten Kopfs beseelt. Bibellektüre, sowie des Cornelius' kritische
Winke halfen über die ersten Klippen der wohlüberdachten, nach Kopfs
späterem strengeren Urteil kindlich ausgeführten Zeichnung hinweg. Das Mo-
tiv des Streits zwischen zwei Frauen mn den Gemahl und zugleich den Ge-
liebten ist mit tiefer seelischer Empfindung der Handlung, großer Auffassung
der Formen, trefflicher Gruppierung und klarer, ruhiger Ausdrucksweise

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