Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Böttiger, Carl August [Hrsg.]
Amalthea oder Museum der Kunstmythologie und bildlichen Alterthumskunde — 1.1820

DOI Heft:
Zweiter Abschnitt
DOI Artikel:
Hirt, A.: Ueber das Material, die Technik und den Ursprung der verschiedenen Zweige der Bildkunst bei den griechischen und den damit verwandten italischen Völkern, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9751#0305

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
252

werk immer aus einem Ganzen darzustellen fei, und sich
dadurch die Arbeit unendlich erschweren.

Von dem theilweisen Gießen geben auch die aufge-
gekommenen Monumente das Zeugniß. So sind zum Bei-
spiel die vier erzenen Pferde auf der Marcuskirche zu Venedig
der Lange nach in zwei Hälften gegossen, und durch einge-
löthete Döbbeln mit einander verbunden. Ein gleiches ge-
wahren wir an den Herculanifchen und andern Gußwerken.

Philo von Byzanz bemerkt weiter, worin der Künstler
bei der Darstellung des großen Colossen von dem gewöhnli-
chen Verfahren abging. Es ging nämlich nicht an, das
Thonmodell eben so groß zu machen, wie das Gußwerk wer-
den sollte, und dies bei den gewöhnlich großen Standbil-
dern geschah. Chares mnßte sich mit einem kleinen Vorbilde
helfen; und dann die Theile desselben für sich in der erfor-
derlichen Größe modelliren und so in Guß setzen. Er baute
auf solche Weise gleichsam den Colossen von unten aufwärts,
indem-er zuerst die Füße bis an die Knöchel machte und diese
aufstellte. So schritt er mit seiner Arbeit stückweise fort bis
zur Scheitel des Bildes, immer aufmerksam die Verhältnisse
der Theile beobachtend, und sorgsam berechnend, wie nach
den optischen Gesetzen die Theile nach der größer» Entfernung
vom Auge eine Zunahme und eine stärkere Bezeichnung der
Formen erhalten mußten. Die Schwierigkeit für Chares
war, daß er die Wirkung des Colossen nicht im Voraus mit
dem Auge beurtheilen konnte, weil ihm das gleich große
Thonmodell dazu fehlte. Es blieb ihm also nichts übrig,
als die Verhältnisse der Theile nach den Regeln der Optik
gehörig zu berechnen; allerdings eine Schwierigkeit, welche
zu überwinden eine große Erfahrung und Kenntniß voraus-
setzt. *)

*) Im 16. Jahrhundert/ zuweilen auch jetzt noch / gab es Künst-
ler/ welche für große Werke nur kleine Thonmodelle verfertigten.
Der Verhältnisse und der Maaße der Theile sich bewußt/ glaubten sie
diese kleinen Thonmodelle für alle größere auszuführende Werke hin-
reichend. Allein diese Verfahrungsweife ist in der Regel nicht zu bil-
 
Annotationen