49
So war die Vorschule, welche die Griechen in Aegypten
fanden. Man würde die Natur der Kunst verkennen, wenn
man solches als gering nennen wollte. Aber die Kunst der
Aegypter, einmal unter die Griechen versetzt, gewann einen
neuen Boden, der viel günstiger für ihren Trieb war; —
und die Kunst der Griechen steigerte sich gar bald auf jene
Höhe, welche dem Rückblicke auf das Aegyptische keine Der-
gleichung mehr erlaubte. Es bleibt indessen schwer, das
Verhalten der ägyptischen zu der griechischen Kunst genau zu
definiren. Strabo's Vergleichung des Aegyptischen mit dem
Altgriechischen und Tyrrhenischen ist richtig, aber nicht ad-
äquat. Die Altgriechcn und Tyrrhener machten, was sie
konnten; aber bei den Aegyptern giebt sich überall die Idee
kund, daß sie mehr wußten als sie machten, und daß es nur
an ihrem Witten lag, die engen, ihnen durch das Gesetz und
Herkommen gegebenen Schranken zu durchbrechen, und auf
einer höhern Bahn zu glanzen. Doch das Nähere hierüber
gehört nicht hierher, und uns ist genug gezeigt zu haben, in
welcher Art von Vorschule der Genius der griechischen Kunst
sich zu bilden Gelegenheit hatte.
§. 9. Die Ergebnisse aus den bisherigen Forschungen
sind folgende:
a. Es gab vier Völker, Aegypter, Israeliten, Phöni-
zier und Babylonier, welche Kunstkultur vor den Griechen
hatten. Diese Völker grenzten aneinander, und daher konnte
sich die Kunst von dem einen zu dem andern leicht verpflan-
zen. Den Aegyptern gebührt die Erfindung und der Vor-
gang. Die Israeliten hatten die Knnst, als eine aus Ae-
gypten ausgetretene Cvlonie, und als sie dieselbe thcils wegen
langen Drangsalen, theils wegen religiösen Staatsmapimen,
die der Aufnahme der Kunst nicht günstig waren, verloren,
so kam ihnen dieselbe später durch die Phönizier wieder zu.
Die phönizische Kultur war ohne Zweifel auch ägyptischen
treffliches erfand. Doch erscheinen auch diese Darstellungen nur als
geistreiche Skizzen gegen das Wissenschaftliche und Vollendete in den
griechischen Kunstwerke» der gute» Zeit.
Amalth. II.
4
So war die Vorschule, welche die Griechen in Aegypten
fanden. Man würde die Natur der Kunst verkennen, wenn
man solches als gering nennen wollte. Aber die Kunst der
Aegypter, einmal unter die Griechen versetzt, gewann einen
neuen Boden, der viel günstiger für ihren Trieb war; —
und die Kunst der Griechen steigerte sich gar bald auf jene
Höhe, welche dem Rückblicke auf das Aegyptische keine Der-
gleichung mehr erlaubte. Es bleibt indessen schwer, das
Verhalten der ägyptischen zu der griechischen Kunst genau zu
definiren. Strabo's Vergleichung des Aegyptischen mit dem
Altgriechischen und Tyrrhenischen ist richtig, aber nicht ad-
äquat. Die Altgriechcn und Tyrrhener machten, was sie
konnten; aber bei den Aegyptern giebt sich überall die Idee
kund, daß sie mehr wußten als sie machten, und daß es nur
an ihrem Witten lag, die engen, ihnen durch das Gesetz und
Herkommen gegebenen Schranken zu durchbrechen, und auf
einer höhern Bahn zu glanzen. Doch das Nähere hierüber
gehört nicht hierher, und uns ist genug gezeigt zu haben, in
welcher Art von Vorschule der Genius der griechischen Kunst
sich zu bilden Gelegenheit hatte.
§. 9. Die Ergebnisse aus den bisherigen Forschungen
sind folgende:
a. Es gab vier Völker, Aegypter, Israeliten, Phöni-
zier und Babylonier, welche Kunstkultur vor den Griechen
hatten. Diese Völker grenzten aneinander, und daher konnte
sich die Kunst von dem einen zu dem andern leicht verpflan-
zen. Den Aegyptern gebührt die Erfindung und der Vor-
gang. Die Israeliten hatten die Knnst, als eine aus Ae-
gypten ausgetretene Cvlonie, und als sie dieselbe thcils wegen
langen Drangsalen, theils wegen religiösen Staatsmapimen,
die der Aufnahme der Kunst nicht günstig waren, verloren,
so kam ihnen dieselbe später durch die Phönizier wieder zu.
Die phönizische Kultur war ohne Zweifel auch ägyptischen
treffliches erfand. Doch erscheinen auch diese Darstellungen nur als
geistreiche Skizzen gegen das Wissenschaftliche und Vollendete in den
griechischen Kunstwerke» der gute» Zeit.
Amalth. II.
4