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Andreae, Bernard
Odysseus: Archäologie des europäischen Menschenbildes — Frankfurt a.M., 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.15161#0113
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Skylla, angeordnet werden, die nicht auf, sondern neben dem Schiff ih-
ren Platz hatte. Von Oberkörper und Armen der Skylla schienen außer
ihrer rechten Hand keine Fragmente vorhanden zu sein.

Später erfuhren wir durch den frühesten archäologisch-wissenschaft-
lichen Bericht über die Höhle des Tiberius von Di Tucci aus dem Jahre
1880121, daß der Oberkörper der Skylla schon damals als ein barbarisch
zerschlagener Marmorstumpf aus dem Boden der Grotte geragt habe,
ohne daß man genauer untersucht hätte, um was es sich handelte. Man
wußte damals jedenfalls nicht, daß in der Marmorplastik im Zentrum der
Grotte eine Skylla dargestellt war. Leider schien auch bei den neuen
Grabungen nicht eindeutig beobachtet worden zu sein, wo und wie die
Gruppe in der Grotte aufgestellt war. Denn der Vorschlag in den Bei-
schriften, in einem kleinen Führer122 des neueröffneten Museums und in
einer kurz zuvor erschienenen bilderreichen Publikation123, die Gruppe
auf einem links am Eingang der Höhe aus dem Felsen gehauenen Schiff
anzuordnen, erwies sich bei näherer Betrachtung als vollkommen unbe-
gründet, ja als eigentlich unmöglich.

Die Rätsel vermehrten sich noch, als wir vor den prachtvollen Odys-
seus-Kopf traten, der schon fünf Jahre zuvor Aufmerksamkeit erregt
hatte. Er war nun mit einem kräftigen Männerarm verbunden, der mit
nerviger Hand ein Palladion, das heißt das Götterbild der Pallas Athene
von Troja umklammert. Allerdings paßten die beiden Teile nicht Bruch
auf Bruch aneinander, und für ein empfindliches Auge schienen die Be-
wegung von Kopf und Armen auseinanderzuklaffen. Bei antiken und
besonders hellenistischen Plastiken mit ihrer tordierten Haltung bewegt
sich ein Arm nie, ohne daß die Bewegung aus den Schultern ausstrahlt,
und nie dreht sich der Kopf, ohne daß der Arm von der Bewegung mitge-
zogen wird. Die Bewegung ist eine Gebärde des ganzen Körpers. Hier
wirkten Kopf und Arm wie erstarrt, festgehalten durch die falsche Be-
wegung des anderen Teiles. So konnten diese beiden Teile nicht zusam-
mengehören.

Die größte Überraschung erwartete uns im dritten Saal, den man von
oben über eine an der Wand entlang geführte Treppe betrat. In Augen-
höhe schwebten unter der Decke des Saales an großen Eisenankern zwei
riesige Unterarme mit schlaff geöffneten Händen, die offenbar trotz ih-
rer Bewegungslosigkeit ein mit ausgebreiteten Pranken auf sie losflie-
gendes Ungetüm abwehren sollten. Dieses Ungetüm aber hatte eine fa-
tale Ähnlichkeit mit den Hundeprotomen der Skylla-Gruppe.

Unter diesem Arrangement hing an einem anderen kräftigen Eisen-
anker das riesige linke Bein, das schon an der Ausgrabungsstelle aufge-
fallen war. Es war nun durch die vierkantige Verstrebung mit dem Frag-

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