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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

DOI issue:
Nr. 5
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Kletzl, Otto: Das Frühwerk Ulrichs von Ensingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0215

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Daß Hans Böblinger aber schon an den Doppel-
fenstern des darunterliegenden Turmgeschosses
mitgearbeitet hat, wies Egle nach. Von Belang
ist hier allein die Tatsache, daß die Einwölbung
des letzten Viereck-Geschosses nach 1439 durch
Hans Böblinger nur nach den Plänen der En-
singer, vor allem des Ulrich-Risses erfolgt sein
kann1). Sonst wären die Gewölbeanfänger ver-
ändert worden. Daß Hans Böblinger sich wahr-
scheinlich auch bei seinem Entwurf für das
Achteckgeschoß und den Helm, der schon 1440
dem aus Bern gekommenen Matthäus Ensinger
zur Begutachtung vorgelegen haben muß, an die
Grundgedanken des Ulrich-Entwurfes hielt, ist
schon nach der ganzen Sachlage zu vermuten.
Sonst hätte der Böblinger kaum die Stimme des
Berner Münsterbaumeisters erhalten, welche in
diesem Falle, wie der Rat deutlich durchblicken
ließ, immer noch ausschlaggebend war. Auch durch
mittelbaren Stil-Vergleich, mit dem Abschluß
nämlich des Nordturmes am Münster von Basel
ergibt sich die Verbindlichkeit von Ulrich-Ge-
danken auch für den Abschluß des Turmes in
Eßlingen. Für Achteck und Helm des genannten
Turmes in Basel hatte Ulrich 1414 von Straß-
burg aus einen Entwurf geliefert, war in der
Sache auch selbst in Basel gewesen. Die sich
durchdringenden Wimperge am Oktogonschluß,
welche Ulrich nicht nur in Basel, sondern auch
schon in Straßburg angewendet hat, konnte Böb-
linger daher höchstwahrscheinlich dem ur-
sprünglichen Plan für Eßlingen entnehmen2).
Über die Turmentwürfe Meister Ulrichs soll an
anderem Orte im Zusammenhang gehandelt wer-
den. Hier nur soviel: Ulrich hat wahrscheinlich
auch schon für Eßlingen einen deutlich konkav
eingezogenen Helm geplant. Daß er dabei auf
jenes schwäbische Motiv der Hehngalerie nicht
zu verzichten brauchte, das geschickt schon an
dem 1343 vollendeten Westturm der Marien-
kirche Reutlingens verwendet worden war, leh-
ren seine erhaltenen Turmentwürfe gleichfalls.
Hans Böblinger hat, einer allgemeinen Zeit-
stimmung entsprechend, den Konkavhelm abge-
lehnt und ist für Eßlingen zu einer malerisch
verunklärten Abwandlung des Freiburger Turm-

J) Vgl. auch H. Klaiber, Hans Böblingers Entwurf zum
Turm der Eßlinger Frauenkirche im Bayer. National-
museum. Münch. Jahrb. d. bild. Kunst, 1910, S. 165.
') H. Klaibers Ansicht: „Das Achteck mit der Pyramide
hat mit der Formensprache und konstruktiven Erfinduug
der Ensingen nichts zu schaffen", besteht also keines-
wegs zu recht (a.a.O. S. 164—65).

helmes gelangt, die durch seine Söhne erst nach
1482 vollendet worden ist.

In einer Werkzeichnung, die im Modellsaal des
Bayrischen Nationalmuseums München ausge-
stellt ist, glaubte Klaiber den Turmentwurf
Hans Böblingen zu erkennen (Taf. 38 a). Es
kann sich hier jedoch nur um eine recht flüch-
tige Kopie nach diesem Entwurf aus den vierzi-
ger Jahren handeln, die ein zu kurzem Aufent-
halt in der Eßlinger Bauhütte weilender Stein-
metz studienhalber machte. So ist auch die
gleichzeitige Aufschrift „Zu essling gemacht" zu
verstehen. Dieser Kopist war ein recht mäßiger
Zeichner, und die Eile, in der dieses erhalten
gebliebene Blatt entstand, entschuldigt nicht das
offensichtliche Unverständnis für die konstruk-
tive Natur selbst von Einzelheiten. Hans Böb-
linger konnte viel besser zeichnen1). Münch-
ner Kopie ist liier dennoch von Belang. Daß sie
von dem, schon 1440 vorgelegten Entwurf Hans
Böblingers stammen muß, konnte schon Klaiber
mit dem Hinweis auf die Übereinstimmung der
damals bereits fertigen Viereckgeschosse des
Turmes begründen. Achteck und Helm der Kopie
sind dagegen merklich reicher und komplizierter
als die Ausführung, welche hinter dem bestechen-
den Prunk des Einreiclisprojektes doch zuriick-
blieb. Hier sei vor allem auf den viel schlankeren
Konkavhelm des Treppenturmschlusses amHelm-
fuß hingewiesen. Hans Böblinger könnte sich
hier deshalb an Ulrichs Turmplan angeschlossen
haben, weil auch der Treppenturmschluß am
Nordhelm des Münsters in Basel so ausgeführt
ist2). Daß der Westturm auch triangulations-
mäßig bis zum Fuß des Haupthelmes eine Ein-
heit darstellt, zeigt die Taf. XIV bei K. Witzel.
Auch Achteck und Helm des Eßlinger West-
turmes sind also unter Benutzung von Grundge-
danken Ulrichs entworfen und ausgeführt wor-
den. Der oft zitierte Artikel IV jener Satzungen
des Regensburger Steinmetzentages, die 1459
auch Hans Böblinger unterschrieb, machte es ja
allen Meistern zur Pflicht, bereits den Entwurf
eines unvollendet übernommenen Werkes zu ach-
ten. Selbst Ulrich, dessen gewaltsame Art bisher

') Auch H. Tietze hält den Münchner Riß für eine
Kopie nach dem Originalentwurf. (Aus der Banhiitte von
St. Stephan, I. Tl., Jahrb. d. Wiener Kunstslgn, N. F.
IV. Bd. 1930, S.S.)

2) Die Kreuzblume der Münchner Kopie wurde später
ergänzt, kann also mit dem Helmabschluß der Ausfüh-
rung nicht verglichen werden.

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