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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0116

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5. DIE EBERJAGDSARKOPHAGE

Die Geschichte der römischen Jagdsarkophage nicht mehr mythologischen, sondern in einem allgemeineren
Sinn realistischen und darüber hinaus symbolischen Inhalts hatte damit begonnen, daß auf Sarkophagen
in der Tradition der Adonis-, Hippolytos- und Meleager-Sarkophage der Eber durch einen Löwen ersetzt
worden war.

Der Eber war aber in den heimischen Fluren Italiens, wie überhaupt in allen Ländern des römischen Reiches,
in denen keine großen Raubkatzen lebten, das gefährlichste Wild524. Er ist deshalb aus den Jagdsarkophagen
nicht fortzudenken. An diesem Wild konnte sich die Virtus eines Jägers in Italien de facto bewähren, die
Löwenjagd war hingegen ein kaiserliches Privileg oder ereignete sich in der Arena525. Es ist deshalb nur
natürlich, daß mit der Entstehung der Löwenjagdsarkophage die Eberjagd nicht verschwindet. Im Gegenteil.
Die Löwenjagdsarkophage waren damit vorangegangen, die vom Sageninhalt festgelegten Bindungen abzu-
streifen, aufgrund deren das Jagdtier als die dämonische Bestie erscheinen mußte, die im Adonismythos
unmittelbar und im Hippolytos- und Meleagermythos mittelbar den Tod des Jägers herbeiführt. Im Löwen
war hingegen ein gewaltiges Jagdtier gefunden worden, das man vor den Augen des Betrachters als besiegt
darstellen konnte. Da dies auch schon beim Eber der Meleagersarkophage der Fall war, bei dem nur die
Kenntnis des Mythos den Jäger als unterlegen erwies, lag es nahe, in die von den Löwenjagdsarkophagen
entwickelte Komposition nun umgekehrt wieder den Eber einzuführen, der nach Aufgabe der mythologischen
Bezüge nicht mehr das notwendig siegreiche Tier war. Die Virtus des Jägers brauchte sich nicht allein
in seiner auch den Tod nicht scheuenden Standhaftigkeit zu beweisen, wie bei Hippolytos, sondern sie
wurde in dem Mut, mit dem er das wilde Tier zu Pferd anritt oder zu Fuß stellte, unmittelbar deutlich.
Ein nicht an die Bildung des Betrachters, sondern an sein Auge appellierendes Bild war gefunden, das
auch nicht wie bei der Löwenjagd mit einer Fiktion arbeiten mußte, sondern die in der Lebenswirklichkeit
liegende Möglichkeit einschloß, daß der Dargestellte seine Virtus in einer echten Jagdbegegnung mit einem
Keiler bewährt haben konnte. Das Bild der Eberjagd ist nicht so komplexer Natur wie die Löwenjagd,
die in der Fiktion die Hintergründigkeit der Gedankenbezüge offen ließ. Es ist deshalb bemerkenswert und
möglicherweise eben daraus zu erklären, daß die Eberjagdsarkophage im Durchschnitt auch künstlerisch
weit weniger anspruchsvoll sind als die Löwenjagdsarkophage.

G. Koch526 hat die meisten der auch hier zusammengetragenen nicht mythologischen Eberjagdsarkophage
umsichtig behandelt, so daß wir uns kurz fassen können. Er unterscheidet zwei Gruppen: eine, die von
der stadtrömischen Hauptgruppe der Sarkophage mit der kalydonischen Eberjagd abgeleitet ist und den
Eberjäger zu Fuß zeigt (Taf. 89-91), und eine andere, die von den Hippolytos- beziehungsweise den römischen
Löwenjagdsarkophagen'abhängt und den Eberjäger zu Pferde wiedergibt (Taf. 86-88). Die Darlegungen
von G. Koch bedürfen nur weniger Ergänzungen.

Zunächst einige Hinweise zu den nicht von G. Koch erfaßten Exemplaren, von denen die meisten kaum
mehr als statistischen Wert besitzen. Künstlerisch ausdrucksvoll sind die Fragmente auf dem Forum Romanum
(Kat. 103, Taf. 87,1) und in Stockholm (Kat. 209, Taf. 87,7), die zeigen, daß die Eberjagd in der Nachfolge
des Kapitolinischen Löwenjagdsarkophags (Kat. 104, Taf. 12,2) auch auf Wannen mit Löwenprotomen darge-
stellt wurde. Das Stockholmer Sarkophagfragment (Kat. 209, Taf. 87,7) steht dem Kapitolinischen Sarkophag

Aymard (1951) 15 ff. z<)iS. - J.M.C. Toynbee, Animals in Roman
Life and Art (1973) 131 ff. - Eindrucksvollste Schilderung einer
Eberjagd bei Apuleius, Metamorphosen 8,4,3-5.11.
RE XIII (1927) 978ff. s.v. Löwe (Steier). - Aymard (1951) 4i6ff.

- Vaccaro Melucco (1963/64) 45 ff. - Uggeri (1963/64) 82ff. - vgl.
oben Anm. 105.

Koch (1974). Ein weiteres fragmentarisches Exemplar tetrar-
chischer Zeit in Beirut ist noch unpubliziert: G. Koch, Sarkophage
im römischen Syrien, AA 1977, 390 Anm. 100.

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