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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 12.1903

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Schur, Ernst: Zeichnende Kunst und Bild-Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6693#0235
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5 24

Ernst Schur—Berlin:

Zeichnende Kunff und Bild-Kunft

Ein Bild, ein Gemälde trägt krass und
ausgeprägt seinen Karakter zur Schau.
( Es liegt in der Sache. Es muss so
sein. Mag die Art der Darstellung, die
Technik, auch noch so eigenartig sein, sie
ist immer doch noch allgemeiner als der
Karakter der »zeichnenden Technik«. Mag
sie auch noch so zurückhaltend sich geberden,
immer ist sie noch derber, als die zeichnende
Kunst es sein darf. — Daher kommt es,
dass auf dem Wege zum Bilde sich die
Unterschiede der Persönlichkeiten viel eher
verwischen. Die Berührungs-Punkte, die
der Einzelne zum Andern hat, vermehren
sich. Trotz der bestehenden Differenzen.
— Leicht wird da — in der Bild-Kunst —
ein Niveau geschaffen, das gewissermaßen
eine Schranke bildet. Diese Schranke muss
immer erst überschritten werden, so dass,
in gewissem Sinne ganz deutlich erkennbar,
hier erst das »Bild« anfängt. Es wird ein
Niveau geschaffen, von dem aus, als von
einem giltigen und sicheren Standpunkt, weil
aus der Sache resultierenden Standpunkt, das
Ganze leichter zu übersehen ist. So reguliert
sich die Betrachtung durch sich selbst.

Andererseits — wenn ein ganz beson-
derer Karakter, der doch aus dem Ganzen
herausfällt, sich nicht unter die allgemeinen
Normen einfügen will, im Bilde sich betont; so
betont er sich gleich so mächtig — und muss
es, einem innerem, aus demselben Grunde
wie vorher sich ergebenden Gesetz zufolge,

so mächtig thun —, dass es ein Ausweichen,
ein Übersehen, eine Unsicherheit gar nicht
mehr geben kann. — Das Bild sclireit! Und
so weiss man leicht, wie hier — in jedem frag-
lichen Einzel-Fall — zu entscheiden ist und
wie zu verfahren ist: ob so, ob so. Denn
hier heisst es nur krass: entweder — oder.

Diese grosse Kunst, sie scheint so er-
starrt. Wie ein Rest aus einer alten, toten
Vergangenheit. Zieht es uns hierher? Die
»Gemälde« schauen uns an, steif, starr; wie
Gestalten aus der Vorzeit. So »gebannt«
sind sie. So fest und so zusammengeballt.
So losgelöst aus dem Leben. Man sehnt
sich unter ihnen ordentlich danach, dass nun
doch einer käme, der sie erlöste. Ihnen Odem
schenkt, dass sie sich lösen aus ihrem Starr-
Krampf; und leben. Gehen und schwinden.
Sie starren uns an. So fremd. So schwer
sind sie. So begrenzt. Als gäbe es kein
weites Leben und nicht die Seligkeit der
Unbegrenztheit. Als vermäße sich dieses
Einzelne, herrschen zu wollen, Bedingnisse
zu geben und Überblicke. Und in dem
Augenblick, wo es sich kaum hat sammeln
können, um anzusetzen zum Sprechen und
zum Lehren, da ist das Leben schon meilen-
weit entfernt und horcht ganz anderen Rufen.

Nicht so müsste es sein von Rechts-
wegen: die Gemälde überwiegen und die
zeichnenden Künste führen ein stiefmütter-
liches Dasein. Sondern umgekehrt. Doch
wird diese Kunst schwerer verstanden. Und

PAUL BÜRCK—MAGDEBURG.

Die Macht«.. Zeichnung. Besitzer: H. Strauss Magdeburg.
 
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