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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Schulze, Otto: Bericht über die XVI. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Gewerbeschulmänner in Köln a. Rh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0154
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Bericht über die XVI. Wanderversammlung des Ver-
bandes deutscher Gewerbeschulmänner in Köln a. Rh.

Vom 28. September bis 1. Oktober 1904.

Trotzdem diese Wanderversammlungen bisher
in der Pfingstwoche abgehalten und folge-
dessen immer besonders stark besucht wurden,
erfreute sich diese erstmalige Herbstversammlung
einer nicht minder lebhaften Teilnahme. Leider
fehlten jedoch auch bei dieser Zusammenkunft
wieder die offiziellen Vertreter der beiden süd-
deutschen Königreiche, Bayern und Württemberg,
und damit auch eine umfassendere Beteiligung
von Direktoren und Lehrern der grösseren ge-
werblichen Schulen. Es machte sich das nament-
lich bei der Bildung einer besonderen Gruppe
der Kunstgewerbeschul - Männer — schon seit
Jahren auf den Tagesordnungen dieser Versamm-
lung fehlend — geltend, die mit 32 Stimmen
zur Annahme und Konstituierung gelangte, wo-
bei aber die Kunstgewerbeschulen Stuttgart,
Karlsruhe i. B., Nürnberg, München, ferner Berlin,
Leipzig, Dresden, Strassburg, also gerade die
älteren grossen Schulen fehlten. Das war bei
der wichtigen, und wie üblich sehr frühzeitig
bekannt gegebenen Tagesordnung umso bedauer-
licher, weil die Aufgaben der Kunstgewerbe-
schulen innerhalb der grossen Gewerbeschul-
männer - Gruppe stets zu kurz gekommen sind.
Die jetzt eingeleitete Reorganisation der Kunst-
gewerbeschulen, die auf ein stärkeres Eindringen
in die Bestrebungen der modernen angewandten
Kunst und umfassendere allgemeine künstlerische
Erziehung abzielt, verlangt dringend eine viel
persönlichere Vertretung der grossen Schulen
mit ihren neu hinzugetretenen Lehrwerkstätten
mit völlig neuen Aufgaben. Möchte das beson-
ders nachdrücklich auf der nächsten Versamm-
lung 1906 in Strassburg i. Eis. an der Stätte
der ersten deutschen Kunstgewerbeschule auf
neuer Grundlage unter Prof. Seders vortrefflicher
Leitung Widerhall finden.

Den Mittel- und Glanzpunkt der Kölner
Tagung bildeten die Vorträge über »Wesen und
Ziel des Pflanzenzeichnens nach Meurer« von
Direktor Prof. Wiese—Hanau und Prof. Meurer
—Rom selbst. Studien-Beiträge dazu hatte die
Akademie Hanau geliefert, darunter recht be-
achtenswerte Blätter. Grosse, von Prof. Meurer
und seinen früheren Schülern meisterhaft aus-
geführte Wandtafeln mit Pflanzenstudien und ana-
logen stilistischen Kunstformen früherer Epochen
gewährten einen tiefen Einblick in Meurers
System. Hier ist nicht der Platz dafür ein-
zutreten-, ich kann mir jedoch keine Kunst-
gewerbeschule denken, die, ohne den Meurerschen
Studiengang als innersten Kern, modernen An-
forderungen zu genügen vermöchte.

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Besonderes Interesse verlangte die Ausstellung
von Schüler-Arbeiten der Kölner Baugewerk-,
Maschinenbau- und Kunstgewerbeschule und der
in den von dem Direktor dieser Anstalten,
Romberg, eingerichteten Meisterkurse. Damit
ist eine übergrosse Arbeitslast und Verantwort-
lichkeit auf die Schultern eines Mannes gelegt
worden. Und dass das ein Zuviel ist drängt
sich jedem auf, der dieser Ausstellung eine ein-
gehendere Würdigung zuteil werden liess. Durch
meine langjährige Tätigkeit am Kölner Kunst-
gewerbemuseum wandte ich den Arbeiten der
Kunstgewerbeschule und der Meisterkurse meine
ganz besondere Aufmerksamkeit zu. Die Be-
deutung dieser Zeitschrift verlangt, dass man
gewisse Unzulänglichkeiten offen zu Tage legt
in der ehrlichen Absicht der guten Sache zu
nützen. Und nur deshalb möchte ich den be-
teiligten Behörden vorschlagen, die Kunstgewerbe-
schule in Köln von der Leitung des überlasteten
Direktors auszuscheiden und ihr einen von diesem
durchaus unabhängigen künstlerisch befähigten
Leiter zu geben. Die Kunstgewerbeschulen der
Nachbarstädte haben in ihren Unterrichtsplänen
und Leistungen die Kölner Schule bereits weit
überflügelt, und es besteht grosse Gefahr, wenn
hier nicht bald eine durchgreifende Wandlung
eintritt, dass die Kölner Kunstgewerbeschule zu
einer Anstalt dritten oder vierten Ranges herab-
sinkt. Die Herren Dezernenten des Preussischen
Handels - Ministeriums dürften sich dem nicht
länger verschliessen können, nochzumal sie sicher
mit einer solchen Reorganisation auch Gegen-
liebe bei der Stadt-Verwaltung finden würden.
Es ist überhaupt unverständlich, dass in Rück-
sicht auf so viele zur Verfügung stehende erste
Kräfte der bildenden Kunst die Leitung der
Kölner Kunstgewerbeschule nach wie vor in den
Händen eines, wenn auch sonst gewiss sehr
tüchtigen, Ingenieurs verblieben ist. So bin ich
bei einem Wechsel fest davon überzeugt, dass
die künftige Einrichtung von Meisterkursen in
kunstgewerblichen Fächern die Teilnehmer indi-
vidueller nach Maßgabe ihres wirklichen Könnens
wird behandeln müssen. Süddeutschland hat
dafür so lehrreiche, nachahmenswerte Vorarbeiten
und Beispiele geliefert, die in Köln leider keine
Würdigung gefunden zu haben scheinen.

Hoffentlich nimmt die neu gebildete Gruppe
der Kunstgewerbeschul-Männer, zu deren Leitung
die Herren Direktor Meyer—Elberfeld, Direktor
Prof. Kübel—Mainz und Direktor Mittelsdorf—
Altona gewählt wurden, ein durchgreifendes Arbeits-
programm in Angriff. otto Schulze—Köln.
 
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