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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Kühn, Paul: Nicola Perscheid und die bildnismäßige Photographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0155

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NICOLA PER SCHEID.

Nicola Perscheid und die bildnismäftige Photographie.

Die nachfolgenden Betrachtungen be-
schäftigen sich nicht mit technischen
Fragen der Photographie, sondern mit ihrer
Ästhetik. Es scheint mir notwendig, sich
ganz klar darüber zu werden, was denn
eigentlich »Kunst-Photographie« ist, um was
es sich dabei handelt. Das Wort ist ein
neues Schlagwort geworden und jeder Photo-
graph, der von Kunst keine Ahnung hat,
schmückt sich damit. Der Nachahmungs-
trieb, der Äusserlichkeiten kopiert und über-
treibt, der unser ganzes modernes Kunst-
gewerbe missverstanden und mit dem sog.
»Jugendstil« diskreditiert hat, hat sich auch
dieser neuen, so gesunden und für unsere
Geschmacks-Bildung so bedeutsamen Be-
wegung und Umwandlung in der Photo-
graphie bemächtigt. Alte Dummheiten und
Geschmackslosigkeiten wurden aufgegeben,
neue dafür angenommen. Man kann katzen-
jämmerlich gestimmt werden, wenn man
sieht, wie die ersten Regungen einer feineren
Kultur, und solche sind eben die guten
Erzeugnisse der Photographie, durch in-
dustriellen Unverstand und leere Eitelkeit
wieder erstickt werden.

Nicola Perscheid, der seit Jahren sein
Domizil in Leipzig hat und im Laufe des
Winters nach Berlin übersiedelt, in das pracht-

1S05. III. 1.

volle, einst für den Porträtmaler Koner ge-
baute Atelier, Bellevuestrasse 6a, hatte mit
vollkommener Klarheit erkannt, welche
Wege der Photograph zu gehen habe, um
die Photographie aus der grenzenlosen Ge-
schmackslosigkeit, in der sie wie die ganze
Zeit geraten war, zu befreien. Heute streitet
man hin und her, ob die Photographie
Kunst werden kann. Dieser Streit ist müssig
und nur im theoretisierenden Deutschland
möglich. Man kann das Urteil »Eben da,
wo die Photographie aufhört, fängt die
Kunst an« durchaus unterschreiben und
doch sagen, dass Photographien, wie sie
Perscheid ausstellt und wie eine Anzahl in
diesem Hefte wiedergegeben sind, ein
Symptom der Reinigung und Verfeinerung
unseres Geschmackes sind und dass in ihnen
derselbe künstlerische Instinkt tätig ist, wie
in der kunstgewerblichen Bewegung, wie
im Maler bei Entwurf und Komposition
seiner Gemälde. Die Photographie als solche
ist keine Kunst und wird nie eine werden.
Aber der Photograph kann und soll eine
Künstlernatur sein; er kann ein Mensch von
klarstem Kunstverstand, von feinster und
höchst entwickelter Geschmacksbildung sein,
ein Mensch, der auch den verborgenen
Regungen der Seele nachspüren, der die

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