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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Agnoletti, Fernando: The Hill-House Helensburgh: erbaut von Architekt Charles Rennie Mackintosh
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https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0343

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CHARLES RENN1E MACKINTOSH—GLASGOW.

Entwurf zur Villa »Hill-House

THE HILL-HOUSE HELENSBURGH

ERBAUT VON ARCHITEKT CHARLES RENNIE MACKINTOSH.

I asst den Künstler in der Einsamkeit leben«,
schrieb Leonardo, »auf dass er von der
r Höhe seiner Einsamkeit das ganze
Leben umfange und der Empfindungen der
ganzen Menschheit, ja wenn möglich aller
Wesen, teilhaft werde«.

Seine Empfindungen werden dann so
rein und so vielseitig sein, dass ein einzelner,
selbst noch so schwerwiegender Umstand
ihn nie überwältigen und in einen Spezialisten
verwandeln wird. Indem er den rhythmischen
Zusammenhang der verschiedensten Tatsachen
erfasst, wird er das Symbol und das sinn-
verwirrende Bild, durch das sie ausgedrückt
werden, zu trennen vermögen und nie daran
denken, den Begriff Kunst mit Nachahmung
oder mit technischer Vollendung zu ver-
wechseln. Technische Vollendung, obwohl
eine Bedingung der grossen echten Kunst,
ist nicht das Ziel, das für Kunst in Betracht
kommt. Poesie mit ihrer endlosen Steige-
rungsfähigkeit, Poesie, als Ausdruck sub-
jektiver Auffassung der Erscheinungen und
Tatsachen, ist die einzige richtige Betätigung
dichtender Kunst. Solche Poesie bedient sich,
um sich auszudrücken, nicht ausschliesslich

der Worte, sie greift auch zu Noten und
Farben, zu Linien und Dimensionen. Die
Grenze zwischen Kunst und Technik ist
durch die Anwesenheit der Poesie in dem
einen Gebiet und durch ihre Abwesenheit
in dem anderen festgelegt. Wenn Farben,
Linien und Dimensionen in poetischen Be-
strebungen sich vereinigen, bilden sie das
vollkommenste Mittel, unseren ständigen
Wunsch, unsere Lebensäusserungen zu ver-
edeln, zu befriedigen. Wenn auch Musik
verhallt, wenn auch Worte von Schönheit
und Ruhm unbeachtet zwischen Blättern ein-
geschlossen sind, und Bilder, reich an Formen
und Farben, auf Entfernung nur schwach
zu wirken vermögen, so lange unser Auge
offen ist, wird unser Haus, unsere Stadt uns
ständig mit Poesie in Berührung bringen,
sofern eine Architektur vorhanden ist, die
von ihr durchdrungen. Ob wir nun einfache
Farmer sind, die in kleinen Hütten lebend,
vom Tagesgrauen bis zum Abend die Gesetze
der Arbeit und die Gaben der Erde ehren,
oder als Herren der italienischen Renaissance
harmonische Paläste mit Blumengärten dem
verfeinerten Geschmack des Jahrhunderts

1905. VI. L.

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