Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

DOI Artikel:
Greiner, Daniel: Monumentale Kunst: Eine Studie über Franz Metzner
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0100

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
franz metzner—Wien. Brunnen-Denkmal für Herrn v. B.

MONUMENTALE KUNST.

EINE STUDIE ÜBER FRANZ METZNER.

Geld und Mode sind die wahren Götter
der Menschheit. Sie sind so alt als
die Kultur, ihre Lebenskraft ist zäher als die
aller erträumten Gottheiten. Ihre Macht
wird erst enden, wenn das ersehnte Traum-
reich des ewigen Friedens zur Wirklichkeit
wird; sie reicht in alle Gebiete des Lebens.
Geld und Mode beherrschen auch die Ge-
schichte der Kunst. Die Mode regiert hier
nach dem altbewährten launischen Grund-
satze variatio delectat. Sie gibt jeder Zeit
ihre moderne Kunst. Auch unsere Moderne
ist nur eine Mode, nur dass in ihr mächtige
Keime aufspriessen zu einer besseren
modernen Kunst; dann werden unsere Nach-
fahren ebenso mitleidig uns betrachten oder
übersehen, wie wir unsere Vorgänger. In
der Malerei hat heute die Landschaft die
Stelle der Nazarener, Bauern und Anekdoten-
maler, der grossen Historie eingenommen.
Landschaften füllen alle Ausstellungen, bis
man ihrer überdrüssig ein anderes gelobtes
Land erfinden wird, auf das sich dann alle
Maler ebenso herdenhaft stürzen werden, wie
heute auf die Landschaft. So auch in der
Plastik, soweit sie modern ist. Auch hier
die Mode. Überall stehen und sitzen die-
selben gespreizten, gesteiften, »stilisierten«

1905. II. 1.

Figuren, überall dieselben modernen Motive,
das sind die Modemodernen; dann kommen
einige, die die Mode nach sich zu modeln
verstehen. Beide leben und sterben mit der
Mode. Sie sitzen und horchen, was ihre
Meisterin, die allmächtige Mode sagt und
tun darnach. Zuletzt — ja, das ist frische
Luft — taucht da und dort ein Mann auf,
der ausser und über der Mode steht, der
nicht von der Mode lebt, sondern über sie
hinausstrebt, weil seine Kraft und sein Eigenes
mächtiger ist als alle Mode. Ein solcher
Moderner ist Metzner.

Auch die Kritik krümmt sich nach der
Mode. Am besten versteht sie daher die
Modemodernen. Ihnen spendet sie ihren
Lorbeer und ihr bestes Lob erteilt sie einem
Künstler, wenn sie von ihm sagt, er suche
den neuen Stil und strebe nach dem ehernen
Ziele des neuen Stils. Als ob Stil gesucht
und gemacht werden könnte! Stil, d. h. der
reinste Ausdruck des Geistes einer Zeit in
den Werken ihrer Kunst, kann nicht gemacht
werden. Er wächst organisch aus einem
Zeitganzen und aus einer ganzen Zeit mit
derselben Notwendigkeit, mit der Frühjahr
und Sommer duftende Blüten und schwere
Früchte zeitigen. Es ist gar nicht wichtig

93
 
Annotationen