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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Greiner, Daniel: Monumentale Kunst: Eine Studie über Franz Metzner
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https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0101

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Dr. Daniel Greiner: Monumentale Kunst.

für einen Künstler, dass er sich um einen
neuen Stil kümmere. Aber von grösster
Wichtigkeit ist es, dass er sich mit eifrigstem
Ernste bemühe, den eigenen Stil zu finden,
sofern er welchen in sich hat. Ein wahr-
hafter Künstler ist nur der, der seine eigene
Bahn findet und sie wandelt mit der Treue
und Kraft des Planeten; der ehrfürchtig
lauscht, was der Strom der Zeit in seinen
Tiefen rauscht. Mit Ernst und Eifersucht
strebe er nur nach dem Eigenen, dann wird
er am meisten sich und dem werdenden
Stile der Zeit nützen, denn seiner Zeit kann
er so wenig entrinnen als seiner Haut. So
wächst aus ihm sein Stil und die Zeit wird
diese Blume dem Kranze einfügen als ein
echtes Stück. Wenige Künstler haben den
Mut, so sich ganz zu vertrauen. Franz Metzner
zeigt sich in seinen reifsten Arbeiten als
solcher Eigenmensch.

Seit der letzten vorjährigen Veröffent-
lichung der Arbeiten Metzners wurde dieser
Künstler nach Wien berufen. Noch in
Friedenau bei Berlin entstand der Entwurf
zu dem Kaiserin Elisabethdenkmal für Wien,
das ja leider, trotzdem viel darum gekämpft
wurde, nicht zur Ausführung gelangte. Dies
war das erste reife Meisterwerk des Künstlers,
damit hatte er zum ersten Mal völlig unab-
hängig und bewusst seinen Weg gefunden
zu seinem hohen Ziele, der monumentalen
Kunst. Seitdem hat er den Weg beharrlich
weiter verfolgt und sich mit der, dem auf
sich selbst gestellten und stehenden Manne
eigenen Sicherheit ruhig und rasch weiter-
entwickelt.

In der heutigen Kritik ist ein böser
Brauch Mode geworden: die Sucht bei jedem
Künstler ein Abhängigkeits- oder Verwandt-
schafts-Verhältnis mit irgend einer Kunst-
grösse nachzuweisen, mag diese Beziehung
noch so äusserlich sein. Man glaubt damit
etwas getan zu haben, während es in be-
deutenderen Fällen doch nur die leichteste
Art ist, mit einem Künstler für das Publikum
gut genug fertig zu werden, dem man sonst
nicht gerecht werden kann. Man hat Metzner
mit Minne in Beziehung gebracht, doch
wohl nur auf Grund ganz oberflächlicher
äusserer Ähnlichkeits-Momente, wie sie sich

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bei Künstlern derselben Zeit wohl leicht er-
geben. Aber im Wesen und Ziel sind beide
Künstler wirkliche Gegensätze. Metzners
männliche urwüchsige Art hat mit der reichen
Mystik Minnes nichts zu tun. Man tut
Metzner direkt Unrecht damit. Diese Art
zu urteilen sollte von der Kritik verhöhnt
werden. Aufgabe der Kritik ist es, bei
einem Künstler das Persönliche, Eigene auf-
zudecken und nicht an jeden heranzutreten
mit der ungeheuerlichen Forderung ursprüng-
lichster Originalität. Was bleibt denn noch
von den Griechen oder gar den Meistern
der Renaissance, wenn man diesen Maßstab
an sie legt? Zeigen nicht gerade die besten
eine so weitgehende Abhängigkeit und Be-
einflussung unter- und voneinander, dass es
einem modernen Kritikus ein leichtes wäre,
über jeden den Stab zu brechen? Gerade
grossangelegte Naturen werden sich Augen
und Wesen offen halten für das Gute, das
ihnen in ihren Zeitgenossen entgegentritt.
Und dies ist gut und natürlich, so kommt
das gemeinsame Gepräge einer Epoche, das
wir mit Stil bezeichnen. Metzner ist eine
selbständige Natur, man braucht dies keinem
zu sagen, seine Werke sprechen dies deut-
lich genug aus.

Metzners Arbeiten verblüffen beim ersten
Blick, sie fallen jedem auf. Aber dieser Ein-
druck hält an und das ist das Wichtige. Sie
sind nicht nur originell, sondern original.
Hinter ihnen steht ein Mann, kein Modemann,
sondern ein nach eigenem Ausdruck, eigener
Sprache, eigenem Gedanken ringender Mann;
das sieht nicht jeder. Seine Werke haben
das Schicksal aller Ei gen werke, sie werden
mehr angestaunt und angemurrt als ver-
standen. Man mag nun über Metzner denken
wie man will, eins muss man ihm zugestehen:
es ist Plan in seinem Schaffen, er hat ein
klares Ziel, auf das er mit männlicher Energie
hinarbeitet; dieses Ziel ist gross und hoch,
es ist die monumentale Kunst. Und Metzner
scheint mir fraglos diesem hohen Ziele pro-
portionale Anlagen und Kräfte zu besitzen.
Wie diese Kunst sich letzlich entwickeln
wird, weiss er wohl selbst noch nicht genau.
Aber das ist einer der besten und am meisten
verheissenden Züge an diesem Künstler, dass
 
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