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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 15.1904-1905

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Zobel, Victor: Johann Vincenz Cissarz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7137#0324
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Victor Zobel:

spräche, was uns gefangen nimmt; häufig
ist es wie ein Wellenspiel, das in einen um-
grenzten Raum gezwungen wurde. Dazu
eine aufs feinste abgewogene, farbige Stim-
mung, die sich aus der Farbe des Papiers,
des Textdruckes und des Ornaments ergibt.
Die jüngsten Cissarzschen Arbeiten sind der
Katalog der I. Wander - Ausstellung des
rheinischen Künstlerbundes und vor allem
ein Band Gedichte von Gottfr. Schwab, der
im Auftrag von dessen Witwe mit besonderer
Sorgfalt gestaltet wurde. Ausserdem ornamen-
talen Schmuck, dessen Vorzug ich in erster
Reihe in seiner immer zu Tage liegenden
rhythmischen Anmut und in seiner allem
Archaismus fernstehenden Art erblicke, sind
dem Buche noch eine Reihe von landschaft-
lichen Steinzeichnungen beigegeben, die
auch für sich ganz vortreffliche, reife
Arbeiten bedeuten. Für mein — einfacheres
— Gefühl ist der Band mit zu grossem
Aufwand von Phantasie und Reichtum
ausgestattet, es fehlen die ruhigen Stellen
darin, fast jede Seite bringt neue Formen
und Beigaben. Freilich geben die ver-
schiedenartigen Gegenstände einer Samm-
lung von Dichtungen grade für eine solche
reiche Lösung Anlass; aber sie klingen nicht
immer mit dem bildnerischen Reichtum zu-
sammen. Im allgemeinen möchte ich meinen,

dass trotz der grossen Abgeklärtheit der
jetzigen Arbeiten

gegen die früheren,

von denen der Pariser

Buchgewerbekatalog

die bekannteste ist,

diese doch in einem

Punkte höher standen,

in dem sparsameren

Umgehen mit den

Ausdrucksmitteln des

Buch - Schmuckes.
*

Endlich ist von
Cissarz als Innen-
künstler zu sprechen,
als den ihn be-
sonders die Darm-
städter Ausstellung
zeigte. Er hatte den j. v. assärz-Darmsudt.

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Wunsch, einheitlich gestaltete Räume zu
schaffen, in denen er den Gedanken, wie
sie sich in ihm geformt hatten, äusserlich
Gestalt geben konnte. Es war für ihn ein
fast neues Gebiet, auf dem ihm eigentlich
keinerlei Erfahrung zur Seite stand. Was
er trotzdem, und in kürzester Zeit geleistet
hat, ist ausserordentlicher Anerkennung wert.
Das Beste an den Räumen und ihrer Aus-
stattung ist die mit ungewöhnlicher Feinheit
durchgeführte farbige und recht eigentlich
malerische Grundstimmung jedes einzelnen
Zimmers, die hier freilich auf den Wieder-
gaben nicht nachzukosten ist. Auch in
der Gesetzmäßigkeit und Grosszügigkeit der
einzelnen Möbelformen im allgemeinen und
in reizvollen Schmuckformen im einzelnen
liegen grosse Schönheiten. Aber ich glaube,
dass die Möbelkunst nicht eigentlich Cissarzens
Sache ist. Er ist auch bei dieser Seite seiner
Tätigkeit überwiegend Maler und arbeitet, will
mich dünken, mit einem allzu starken Aufgebot
ästhetischer Forderungen, das die notwendige
sachliche Nüchternheit etwas zurückdrängt.
Zudem sehe ich in der auch hier stark gesetz-
mäßigen, rhythmischen Anordnung des Haus-
rats etwas Starres, das keine Änderung zu-
lässt, keiner Entwicklung der Bewohner,
des Familienstandes folgen kann. Diesen
Eindruck habe ich häufig bei Innenräumen
aus jüngster Zeit gehabt; man sollte darüber

nachdenken und die
Bewegungs - Freiheit
nach jeder Richtung
hin zu wahren suchen.
Von den Cissarzschen
Räumen ist das Her-
ren-Zimmer vielleicht
das einzige, das die-
sen Mangel — für
mich — nicht zeigt.
Ich sehe überhaupt in
der wichtigen Frage
der Wohnungs - Aus-
stattung das Heil
nicht in einer bis ins
Kleinste individuell
gestalteten Künstler-
Kunst, sondern in
Porträt-studie. der Wiedererlangung
 
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