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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 16.1905

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Widmer, Karl: Zur öffentlichen Kunstpflege
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Jaumann, Anton: Vom Primitiven in der angewandten Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8553#0162
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nicht gehen. Über das wie wird man
sich leicht einigen, wenn nur einmal der
gute Wille da ist. Und diejenigen Ele-
mente der Beamtenhierarchie, denen es um
die Kunst ernst ist, werden selbst dankbar
sein für eine Verstärkung des künstle-
rischen Einflusses. Auch auf andern Ge-
bieten hat es Kämpfe gekostet, wo die
Zeit Gegengewichte gegen die Einseitig-
keit des juristischen Bureaukratismus for-

derte. In der Kunst hat die Konser-
vierung des Zopfes nicht so unmittelbar
materielle Folgen, wie in rein praktischen
Dingen. Darum ist man hier langmütiger
und selbstzufriedener. Aber einmal rächt
sich die Gleichgiltigkeit gegen die For-
derungen der Zeit so oder so: Die Ver-
nachlässigung idealer Kulturaufgaben hat
noch immer materielle Schäden nach sich
gezogen. prof. karl widmer—Karlsruhe.

VOM PRIMITIVEN IN DER ANGEWANDTEN KUNST.

LJnter den Erzeugnissen des modernen
) Kunstgewerbes befindet sich manches
Stück, vor dessen verblüffender Einfach-
heit wir versucht sind, zu fragen, ob es
auch wirklich in unseren Tagen entstanden
oder vielleicht ein Fund sei aus prä-
historischen Gräbern, aus den Königs-
palästen von Knosos oder aus den Nieder-
lassungen der Hallstadtperiode. Man hat
sich gewundert, dass unsere Zeit, die doch
in den grossen Fortschritten der Technik
ihr wichtigstes Verdienst erblickt, solche
Bildungen hervorbringt, in denen von den
modernen Errungenschaften der Technik
keine Spur zu entdecken, die vielmehr
aussehen, als ob ihre Verfertiger über
die Anfänge der Materialbearbeitung noch

nicht hinausgekommen. Sollte der mo-
derne Stil, sagte man, ein Dokument der
Kultur unserer Zeit sein, so müsste er
gerade auf die reichen Hülfsmittel der
Technik sich stützen und nicht durch eine
sparsame, sondern eine möglichst intensive
Verarbeitung des Materials sich auszeich-
nen. Statt dessen nun diese geometrischen
Möbel aus vierkantigen, geraden Hölzern,
die höchst primitiven Gefässe, die grob
behauenen oder einförmig kahlen Mauern,
der aus einfachen Plättchen und Drähten
bestehende Schmuck! Und dabei scheint
es, dass gerade die verwöhntesten Augen,
die Feinschmecker in Dingen des Kunst-
genusses an den anspruchslosesten, streng-
sten, den sozusagen nackten Formen be-
 
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