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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Linde, Hermann: Tschudis Eingriff in ein Rubens'sches Bild
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0095
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TSCHUDIS EINGRIFF IN

Die Neuordnung der Gemälde der alten Pina-
kothek in München, welche Herr von Tschudi
gleich nach Antritt seiner Amtstätigkeit als Gene-
raldirektor vornahm, hat durch einschneidende
Veränderungen das Bild der Sammlungen durch-
aus verändert. Nicht nur, dag die Säle durch
Überstreichen der tiefsatten Töne der Seiden-
tapeten mit lichten, meist hellgrünen stumpfen
Farben völlig anders wirken, auch die Gemälde
wurden umgehängt und eine große Anzahl der-
selben entfernt. Einige davon sind an Provinzial-
museen abgegeben, aus denen die zur Ergänzung
des Bestandes der Pinakothek nötig erscheinenden
Stücke in diese überführt wurden.

Daß die Gemälde jetjt, weitläufig gehängt, auf
neuem Grunde und in anderer Umgebung ein
ganz anderes Ansehen gewonnen haben, ist er-
klärlich, ebenso wird es verständlich erscheinen,
daß diese hellgrüne Farbe nicht allen Bildern
zuträglich ist, doch haben auch wiederum viele
durch ihre neuen Plärje gewonnen, namentlich
die in den Seitenkabinetten in vorteilhafteres
Licht gerückten, dann die deutschen Meister in
dem jetjt weiß gestrichenen Saal. Zu begrüßen
ist ferner, daß die Altarschreine, die auseinander-

IN RUBENS'SCHES BILD.

gerissen waren, wieder als Ganzes aufgestellt
wurden. Daß aber so viele und wertvolle Gemälde
dem modernen Ausstellungsprinzip zuliebe, alles
weitläufig zu hängen und viel Wandflächen sehen
zu lassen, aus der Sammlung weichen mußten,
wird recht bedauert, da alte Meister wohl ver-
tragen können, eng gehängt zu werden, ohne sich
gegenseitig zu schaden; auch versteht man nicht
recht, warum einigen Meistern zuliebe, wie Tin-
toretto, von dessen großen Bildern ein Saal fast
ausgefüllt wurde, oder Rubens, dessen große
Werkstattbilder heruntergehängt wurden, so viele
andere bedeutende Bilder hinauswandern mußten.
- Immerhin ist das kein dauernder Schaden;
auch mag manches noch Provisorium sein.

Die Umwälzung hat aber auch Überraschungen
anderer Art gebracht, und der ersten Freude über
die erfrischende Wirkung der Sammlung in dem
neuen Gewände sind Staunen und allmählich Auf-
regung gefolgt, als man sah, daß kühne Ein-
griffe in die Gemälde selbst vorgenommen worden
sind und daß mit ihnen wie mit Dingen umge-
gangen wurde, die leicht zu erseßen sind. So
wurde in kaum 7 Wochen der große Gemälde-
bestand gründlich gereinigt, d. h. mit Wasser

ISMO. VII. 10.

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