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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0094

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Kleine KTtnst-Nachrichten.

schriftsteiler bekannte Erich Klossowski eine
Reihe an Delacroix, Daumier und deren Vorgänger
anknüpfender Gemälde ausgestellt hat.

Die Frühjahrssezession hinterlägt einen
guten geschlossenen Eindruck. Es fehlen die großen
Überraschungen, aber es wird viel tüchtige Arbeit
geboten, die eine Bängnis um geeigneten Nach-
wuchs — denn diesem dient diese lenzliche Ver-
anstaltung in erster Linie — als illusorisch er-
scheinen läßt. Einige markante und die Gewähr
für Dauer in sich tragende Erscheinungen heben
sich aus der Schar der bloß Hoffnungsvollen
heraus. Ich nenne Julius Seyler, der die biedere
Langweiligkeit der Zügelschule glücklich über-
wunden hat und sich immer mehr als ein Maler-
temperament höchster Rasse enthüllt. Seine Ge-
mälde „Die Malerin" und „Das helle Kleid" -
beides Landschaft mit Figur, von großem Schwung
des Ausdruckes und wunderbarer Schönheit der
Farbe — zählen für mein Gefühl zu den stärksten
Stücken der Ausstellung. Dann kommt Oßwald,
von dem schon die Rede war. Im übrigen sind
zahlreiche gute Einzelleistungen der Erwähnung
wert: R. Pietzsch, Chr. Landenb erger, R.
Kaiser, der allerdings im vorigen Jahre besser
war, Carl Caspar, Maria Caspar-Filser und,
um gleich noch einige Damen zu nennen, Martha
Reich und Gertraud Rostosky, erstere mit
einem Garteninterieur, lerjtere mit einer Park-
wirtschaft. Carl Schwalbach verspricht Gutes,
Willibald Krain löst mit seinem Selbstbildnis
schon zu einem Teile das Versprechen ein, das
sein Erstling vom vorigen Jahre, „Das Begräb-
nis", gegeben hatte. Th. Hummel ist mit einer
Bilderserie „Glashütte" recht charakteristisch
vertreten. Julius Graumann („Herbstmorgen"),
Max Landschreiber, Altenkirch, Buchner,
Burger, Burmester, Dorsch müssen noch ge-
nannt werden. Talente wie Hermann Groeberund
Karl Reiser, auf die man eine Zeitlang gebaut
hat, bekunden geringe Entwicklungsfähigkeit.

Die graphische Abteilung steht ganz im
Zeichen des genialen Frank Brangwyn-London,
der bei seinen Schilderungen verschiedener In-
dustriestätten nicht nur die monumentale Geberde
der modernen Arbeit festhält, sondern auch die
monumentale künstlerische Form erzielt. Von In-
teresse ist für uns das Emporblühen des Holz-
schnittes, hier vertreten durch Walter Klemm,
Martha Cunz, Thiemann und H. v. Heyden.

In die Gefilde artiger literarischer Nervosis-
men führen die an Beardsley anknüpfenden Um-
rißzeichnungen F. Staegers (München) und die
von allerhand Verruchtheiten mit duftiger, wirjiger
Verruchtheit erzählenden Zeichnungen von Andre
Lambert-Paris. wilhei.m michel.

BERLIN. Bei Cassirer war bis Ende'Februar
eine interessante Ausstellung. Das große
Bild Hodlers: „Die heilige Stunde", von dem
man viel hatte reden hören, wurde nun auch den
Berlinern gezeigt und fand viel Beifall. Die Stel-
lung zu Hodler hat sich bei der Kritik und beim
Publikum geändert: man nimmt den Künstler heute
ohne Widerspruch so, wie er ist, ja man paßt
sich ihm an, wo er absonderlich zu werden be-
ginnt. Es ist gut so, da sich Hodler dem Alter
nähert, wo schließlich jede Diskussion über den
Wert oder Unwert des einzelnen Werkes zweck-
los erscheint gegenüber der allgemeinen Äuße-
rung einer ganz reifen Persönlichkeit, die keine
Rätsel mehr aufgibt. Mir persönlich sind viele
frühere Werke Hodlers lieber als gerade dieses,
und man beugt sich doch gern vor jener Größe
der Empfindung, die in unserer Zeit einzig ist. -
Von den Kollektionen verdiente diejenige Max
Beckmanns die größte Beachtung. Ich halte
den so jungen Maler für das unbedingt stärkste
Talent des Berliner Nachwuchses, nicht nur weil
er sein Handwerk besser versteht als die anderen.
Er hat den Instinkt für die großen Aufgaben der
Malerei und ist stark genug, van Gogh von sich
fernzuhalten, Cezanne zu überwinden und die
malerischen Mittel, denen viele der Jüngern un-
würdig versklavt sind, so herrisch großen Ideen
und heißem Temperament dienstbar zu machen,
daß er hier und da das Gleichgewicht verliert,
und nur Gebärde und subjektiven Ausdruck eines
Erlebens gibt, wo doch das „Bild" lerjtes Ziel
sein sollte. Aber man muß ihn gewähren lassen,
ich glaube, er wird uns schon zu überzeugen
wissen. - Theo von Brockhusen ist etwas ge-
fälliger geworden, als man ihn sonst kennt. Er
hat sich in der Wiedergabe der Havellandschaft
eine Spezialität geschaffen, die ihn immer mehr
von anderen malerischen Motiven abzieht. Diese
Beschränkung bekommt dem Künstler anscheinend,
denn es sind einzelne ruhige und schöne Werke
entstanden. Entgeht er der Manier, die bei seiner
Art des Arbeitens leicht droht, und tritt er der
Natur naiver gegenüber, dann kann man noch
mancherlei von ihm erhoffen. Richard Drehers
italienische Landschaften verraten zum großen Teil,
daß er gerade jetyt an einem Punkt steht, der die
Entscheidung bringen muß. Es ist so viel Theorie
und Abstraktion in seinen Arbeiten, daß man selten
das Erlebnis vor der Natur durchspürt, und nur
der weibliche Halbakt zeigt eine gewisse Sinnlich-
keit der Fleischbehandlung, die Gutes hoffen läßt.
Gurlitt hatte im Monat Februar eine Anzahl
Blumenstilleben von guten Meistern und außer-
dem die etwas trockenen Interieurs aus dem Schlosse
Parez von Heinrich Hübner ausgestellt, e.h.

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