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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Breuer, Robert: Peter Behrens und die Elektrizität
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0280

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PROFESSOR I'ETF.R BEHRENS.

Turbinenhalle der A. E. G. Berlin.

PETER BEHRENS UND DIE ELEKTRIZITÄT.

I^)eter Behrens arbeitet für die A. E. G. mit
schönem und großem Erfolg. Er bewährt
sich als ein ausgezeichneter Fabrikarchitekt.
Sein erstes Werk war eine Turbinenhalle, eine
kristallklare Organisation aus Eisen und Beton.
Man sieht sie weithin das Straßenbild be-
herrschend; sie wächst wie ein Riese mit
dynamischem Schwung und wölbt sich macht-
voll zu einem federnd auf der Erde lastenden
Körper. Die eisernen Rippen sind wie das
Skelett eines prädiluvialen Tieres, die gewal-
tigen Glasflächen wie ungeheure Lungen. Man
fühlt den gebändigten Raum sich recken, fühlt
ihn atmen. Das Erlebnis ist wundervoll und
gehört zu den stärksten Eindrücken, die einem
das moderne Berlin zu vermitteln vermag.
Bei dieser Halle treffen wir die oft mißbrauchte
Forderung legitimiert, daß die Form sich aus
der Konstruktion zu ergeben habe. An dem
ganzen Gebäude findet sich nicht eine einzige
Überflüssigkeit; die Präzisionsrechnung des
Ingenieurs herrscht allmächtig. Jede Linien-
beugung, jede Spannung und jedes Gelenk,
jede Form, ob sie dem Auge wohl schöne und
freie Gefühle vermittelt, so ist sie doch eigent-
lich nur die Enthüllung und die Darstellung

von Zahlen und technischen Erfahrungen. Es
ist, als ob die Kunst wie eine Verklärung aus
dem Ingenieurwerk mit allsiegender Größe her-
vorbreche. Käme etwa einer und meinte, daß
der geknickte Bogen, das Polygon, des Giebel-
feldes nichts als ein künstlerischer Einfall-sei,
so brauchte man diesen Skeptiker nur in-das
Innere der Maschinenhalle zu führen, er würde
sehen und begreifen, daß die faszierende und
mit Temperamenten geladene Architektur-
form der gereinigte Ausdruck dessen ist, was
dort innen, an der Decke, vor sich geht. Die
dämonischen Krahne, die unter dem Dache
rollen, ungeheure Lasten heben und durch den
Raum schleppen, würden durch die Zentner-
lasten die Seitenwände nach innen brechen,
wenn nicht federnde Übersetzungen die Kräfte
abzögen und schwächten. Dies System der
elastischen Gelenke bestimmt den senkrechten
Pfeilern und deren Verankerungen, bestimmt
auch dem Dachgerüst die Form. Das Polygon
des Giebelfeldes ist nichts anderes als die
kristallisierte Ausdeutung und der sinnliche
Extrakt dieser technischen Realitäten.

Nicht weniger wäre von den anderen Bauten,
die Behrens für die A. E. G. emporschickt, zu

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