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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0091

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KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.

MÄRZ 1910.

DAS WILMERSDORFER RATHAUS. Die
Stadt Wilmersdorf bei Berlin braucht ein
Rathaus; um zu einem anständigen Entwurf zu
kommen, veranstaltete sie ein engeres Preisaus-
schreiben. Sie bemühte unter anderen: Theodor
Fischer, Emanuel von Seidl, Roth-Dresden und
Ostendorff-Karlsruhe. Sie entschied sich aber
für den beheimateten Baurat Kröger. Und das
war ein schwerer Irrtum, der darauf zurückzu-
führen ist, daß Herr Kröger mit kräftigem Apparat
ein repräsentatives Fortissimo anschlug. Zwar
sagen die Wilmersdorfer Richter (das Preisgericht
war unzulänglich zusammengeseßt und noch un-
zulänglicher vertreten), daß die Grundrißdispo-
sition Krögers den Bedürfnissen der Stadt groß-
artig entspräche; indessen den Ausschlag gab
sicherlich die Welt der Türme und der phanta-
stischen Wülste, die Kröger beschworen. (Neben-
bei , der Grundriß muß wesentlich verändert
werden.) Jedenfalls, so wichtig auch immer die
Grundrißdisposition ist, es darf doch schließlich
nicht völlig übersehen werden, daß ein Haus
auch Fassaden hat. Und gewiß ist, daß ein Rat-
haus ein maßgebendes Vorbild der Gesinnung
und des Geschmackes für die Bauten seiner Stadt
sein sollte. Der Krögersche Entwurf ist aber
kein Vorbild, sondern nur das Prototyp des
Maurermeisterschwulstes, der in Wilmersdorf
schon genug der lächerlichsten Dinge produziert.
Es läßt sich kaum beschreiben, welch Ragout
hier bereitet wurde; es genügt zu sagen, daß
eine Eintrittshalle geplant ist, deren pompöse
Raumvergeudung wie ein Haifischrachen klafft,
deren geknautschte Tapezierkunst auf eine Aus-
stellung in Wild-West gehört. Wie sehr solches
nach dem Herzen der Wilmersdorfer ist, be-
weisen die Urteilssprüche, die man zu Protokoll
gegeben. Da lesen wir von der „stattlich ent-
wickelten" Eintrittshalle. An der Architektur der
Vorderfront wird gelobt, daß sie „reich und
stattlich" sei; und weil's noch nicht genug ist,
wünscht man eine „stattlichere Betonung"
der Haupteingänge. Nach solchem Maßstab
kritisieren diese Leute unsere tüchtigsten Archi-
tekten. Von Seidl heißt es: „Nicht befriedigend ist
der Haupteingang des Gebäudes, weil er in zu
bescheidenen Abmessungen gehalten; das
gleiche gilt von der anschließenden Halle." Und
ferner: „Auf den Bau eines großen Turmes, welcher
geeignet wäre, weithin im Bilde der Stadt zu wir-
ken, hat der Verfasser verzichtet. Der zwar statt-

liche, noch von Seitenhallen umgebene Dachaufbau
über der Hauptfront, würde im Bilde der Großstadt
nicht bedeutend genug zur Erscheinung ge-
langen". Von d em Entwurf Ostendorff, der durch
seine straffe Vertikalgliederung eine geistreiche,
gebändigte Monumentalität wirkt, heißt es: „Der
Turm hat inmitten der Baumassen seinen richtigen
Plaß gefunden, ist aber in seinem ungegliederten
Aufbau und als Rathausturm, als Wahrzeichen der
Großstadt, zu ärmlich im Ausdruck. Die
Vorderfassade zeigt zu wenig Abwechslung
in der Gliederung, wirkt zwar ruhig und ernst,
aber trocken und reizlos." Bei Fischers Entwurf
haben die Herren anzumerken: „Die Haupt-
portale in der Vorderfront sind nicht genü-
gend betont und nicht geräumig genug ent-
wickelt." Diese Blütenlese dürfte hinreichen, um
die Unzulänglichkeit des Preisgerichtes zu doku-
mentieren. Es ist daraufhin nicht mehr nötig zu
sagen, daß die Entwürfe von Seidl, Roth, Osten-
dorff und Fischer, jeder nach seiner Art, ausge-
zeichnete Qualitäten aufweisen. br.

Ä

ERWEITERUNG DES WERTHEIM - BAUES.
Das Haus, mit dem Messel den Typus des
metropolen Basars begründete, soll erweitert wer-
den. Die Frage lag nahe, ob die vorhandene Archi-
tektur möglichst genau fortzuseßen wäre, ob etwas
Neues versucht werden sollte. Die Firma glaubte
sich für das leßtere entscheiden zu müssen und
schrieb einen Wettbewerb aus. Freilich, wie man
jeßt erfährt, waltet doch die Absicht, den Messel-
bau durch einen Messelschüler möglichst konform
weiterführen zu lassen. Immerhin, der Wettbewerb
gab Gelegenheit, mancherlei Ideen kennen zu
lernen. Man konnte sehen, welchen nachdrück-
lichen Einfluß Messel auf die Architekten des
Warenhauses geübt hat. Selbst jene Entwürfe,
die sichtlich danach streben, etwas völlig Neues
zu geben, standen mehr oder weniger in
Messels Bann, und wo sie sich ihm völlig ent-
zogen hatten, wirkten sie willkürlich. Ein klas-
sisches Beispiel für die Art, wie architektonische
Traditionen sich bilden und siegreich durchseßen!
Somit ist schon gesagt, daß die besten der Ent-
würfe, zum mindesten die aussichtsreichsten, das
Messeische Prinzip konsequent wahrten und nach
dem Maß des eigenen Könnens erfüllten. Dies
traf besonders zu für die beiden ersten Preise,
die von Schilling & Gräbner- Dresden und von
Karl Hubert Roß-Hannover, gewonnen wurden.

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